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Ethikorientierte Führung im Sport – Wie man Exzellenz und Menschlichkeit vereint

von | 14.08.24 | Ethikorientierte Führung, Menschlichkeit, Positive Psychologie, Sportpsychologie

Im modernen Sport stehen nicht nur sportliche Höchstleistungen und Siege im Fokus, sondern auch die Art und Weise, wie diese Erfolge erzielt werden. In einer zunehmend von Wettbewerb und Leistungsdruck geprägten Welt ist es von entscheidender Bedeutung, dass Führungspersonen im Sport nicht nur auf die Resultate achten, sondern auch ethische Prinzipien und Menschlichkeit in den Vordergrund stellen. Eine ethikorientierte Führung, die Exzellenz mit Menschlichkeit verbindet, kann nicht nur zu besseren Leistungen, sondern auch zu einer nachhaltigeren und respektvolleren Sportkultur führen. Wie können Trainer*innen, Manager*innen und Sportler*innen diese Werte in ihre tägliche Arbeit integrieren und damit den Sport positiv prägen? Diese Fragen wollen wir im Folgenden erörtern und anhand praktischer Beispiele veranschaulichen.

Zum Thema: Prinzipien, Praxis und Reflexion ethischer Führung im Sport

Um im Sport Exzellenz zu erreichen, ohne dabei die Menschlichkeit aus den Augen zu verlieren, müssen verschiedene Aspekte miteinander in Einklang gebracht werden. Dabei geht es um drei zentrale Säulen: Werte (Philosophie), Innovation und Erfolg (Ökonomie) sowie die Umsetzung dieser Werte (Psychologie). Die Philosophie liefert die ethischen Grundprinzipien, die den Rahmen für jegliches Handeln im Sport setzen. Diese Werte dienen als Kompass für Führungskräfte, Trainer*innen und Athleten*innen, um moralisch vertretbare Entscheidungen zu treffen. Prof. Dr. Dieter Frey betont in seinem Werk zur ethischen Führung, dass ethische Prinzipien nicht nur als theoretische Konzepte verstanden, sondern aktiv in die Praxis integriert werden müssen, um wirksam zu sein (Frey, 2018). Die Ökonomie hingegen stellt sicher, dass die angestrebten Erfolge und Innovationen nicht nur nachhaltig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll umgesetzt werden. Schließlich verbindet die Psychologie diese beiden Bereiche, indem sie die Umsetzung der Werte in den Alltag ermöglicht und gleichzeitig den Menschen, sei es der Sportler bzw. die Sportlerin oder das Team, ins Zentrum rückt.

Dieses Zusammenspiel von Philosophie, Ökonomie und Psychologie bildet das Fundament für eine ethikorientierte Führung im Sport, die Exzellenz nicht nur in Ergebnissen, sondern auch im Umgang miteinander definiert. Indem diese Elemente harmonisch integriert werden, können Führungskräfte eine Kultur schaffen, die nicht nur Spitzenleistungen fördert, sondern auch das Wohlbefinden und die Entwicklung aller Beteiligten in den Vordergrund stellt.

Die Bedeutung einer ethikorientierten Führung im Sport

Eine ethikorientierte Führung hebt die Bedeutung einer Führungsphilosophie hervor, die Exzellenz mit Menschlichkeit verbindet. Im Zentrum dieser Philosophie steht die Überzeugung, dass sportlicher Erfolg nicht nur durch harte Arbeit und Disziplin erreicht wird, sondern auch durch die Förderung einer Kultur der Wertschätzung, Verantwortung und ethischen Integrität (Frey & Hüffmeier, 2020).

Führungskultur und Verantwortung

Eine zentrale Rolle in der ethikorientierten Führung spielt die „4V“-Strategie: Vorbild, Verantwortung, Verpflichtung und Vertrauen. Führungspersonen im Sport, wie Trainer*innen und Manager*innen, sollten durch ihr Verhalten ein Vorbild für Athleten und das gesamte Team sein. Sie tragen die Verantwortung nicht nur für den sportlichen Erfolg, sondern auch für das Wohlbefinden der Sportler und die Einhaltung ethischer Standards. Hans Jonas’ Konzept der Verantwortung unterstreicht, dass Führungskräfte die langfristigen Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf alle Beteiligten berücksichtigen müssen (Jonas, 1979). Im Sport heißt das, sowohl den kurzfristigen Erfolg als auch die langfristige Entwicklung von Athleten*innen und Teams in Einklang zu bringen.

Rahmenbedingungen für Exzellenz und Menschenwürde

Exzellenz im Sport kann nur nachhaltig erreicht werden, wenn sie auf einer soliden Basis von Menschenwürde und Wertschätzung aufbaut. Karl Poppers Prinzip des kritischen Rationalismus erinnert uns daran, dass sportlicher Erfolg durch ständige Reflexion und Verbesserung erreicht wird. Dies erfordert ein Umfeld, in dem Fehler als Lernmöglichkeiten gesehen werden und die Kultur von Exzellenz durch konstruktive Kritik und kontinuierliche Verbesserung geprägt ist (Popper, 1973). Gleichzeitig betonen die Rahmenbedingungen für Menschenwürde die Notwendigkeit von Vertrauen, Fairness und Wertschätzung. Diese Elemente sind essenziell, um eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich Sportler*innen sicher und respektiert fühlen, was wiederum ihre Leistungsfähigkeit fördert.

Umsetzung durch Klarheit, Feedback und Bewältigungsstrategien

Die praktische Umsetzung einer ethikorientierten Führung erfordert klare Zielsetzungen und die Unterstützung durch Multiplikatoren, um das gesamte Team auf Erfolgskurs zu bringen. Offene Feedback- und Reflexionskulturen fördern nicht nur den Austausch von Ideen und die Verbesserung der Leistung, sondern stärken auch den Zusammenhalt und das Vertrauen im Team. Eine ethikorientierte Führung erfordert zudem effektive Bewältigungsstrategien im Umgang mit Herausforderungen. Statt sich durch Rückschläge entmutigen zu lassen, sollten Optimismus und Eigeninitiative gefördert werden, um eine Kultur des Wachstums und der Resilienz zu etablieren (Frey, 2018).

Die Rolle der Reflexion in der ethikorientierten Führung

Ein wesentlicher Bestandteil einer ethikorientierten Führung im Sport ist die kontinuierliche Reflexion, die zur Weisheit, Reife und Persönlichkeitsentwicklung der Führungskräfte und Athleten*innen beiträgt. Dabei sollten drei zentrale Ebenen der Reflexion in den Führungsprozessen integriert werden: Selbstreflexion, Teamreflexion und Reflexion durch Externe.

Selbstreflexion

Die Selbstreflexion ist der erste und wichtigste Schritt in diesem Prozess. Führungskräfte und Sportler*innen sollten regelmäßig hinterfragen, ob sie die richtigen Dinge tun und ob sie diese Dinge auf die richtige Weise tun. Die Reflexion über das, was gut lief und was nicht, ermöglicht es, persönliche Stärken und Schwächen zu erkennen und gezielt daran zu arbeiten. Paul Baltes, ein angesehener Psychologe, betont, dass diese Reflexion nicht nur auf die eigenen Erfolge, sondern auch auf die Fehler und Herausforderungen gerichtet sein sollte, um daraus zu lernen und sich kontinuierlich zu verbessern (Baltes, 1997).

Teamreflexion

Die Teamreflexion erweitert den Fokus von der individuellen Ebene auf die kollektive. Hierbei geht es darum, dass das Team gemeinsam analysiert, ob die gesetzten Ziele auf die richtige Weise verfolgt werden. Diese kollektive Reflexion fördert nicht nur den Teamgeist, sondern auch die gemeinsame Verantwortung für den Erfolg und das Wohlbefinden aller Mitglieder*innen. Michael West von der Universität Birmingham betont, wie wichtig es ist, dass Teams gemeinsam reflektieren, um eine Kultur der Offenheit und des Lernens zu schaffen, die für nachhaltigen Erfolg unerlässlich ist (West, 2012).

Reflexion durch Externe

Der dritte Schritt umfasst die Reflexion durch externe Perspektiven. Externe Coaches, Berater*innen oder Mentoren*innen können wertvolle Einsichten und Feedback bieten, die oft über die interne Sichtweise hinausgehen. Diese externe Reflexion ermöglicht es, blinde Flecken zu identifizieren und neue Ansätze zu entwickeln, die möglicherweise nicht in den eigenen Überlegungen berücksichtigt wurden (Frey & Hüffmeier, 2020).

Das Prinzipienmodell der Führung und Motivation

Ein zentraler Aspekt der ethikorientierten Führung im Sport ist das Prinzipienmodell der Führung und Motivation. Dieses Modell zielt darauf ab, mündige und intrinsisch motivierte Mitarbeiter*innen und Athleten*innen zu fördern, indem bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen werden, die sowohl die persönliche als auch die berufliche Entwicklung unterstützen.

1. Sinn- und Visionsvermittlung: Eine klare und inspirierende Vision vermittelt den Sinn und Zweck der gemeinsamen Anstrengungen.

2. Passung und Eignung: Die Freude und das Interesse an der Aufgabe sowie die Passung innerhalb des Teams sind entscheidend für die Motivation.

3. Transparenz: Transparenz in der Kommunikation und bei der Informationsverteilung stärkt das Vertrauen innerhalb des Teams.

4. Autonomie und Partizipation: Das Prinzip der Autonomie und Partizipation fördert Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein (Frey, 2018).

5. Zielvereinbarung und Klarheit: Klare Ziele und Prioritäten helfen, den Fokus zu behalten und effizient auf den Erfolg hinzuarbeiten.

6. Konstruktives Feedback: Konstruktives Feedback fördert das Wachstum und die Entwicklung.

7. Wertschätzung und Fairness: Wertschätzung und Fairness schaffen ein respektvolles und anerkennendes Umfeld.

8. Soziale Einbindung: Soziale Einbindung stärkt den Zusammenhalt im Team.

9. Sicherheitsvermittlung: Ein Gefühl von Sicherheit ist entscheidend für das volle Potenzial der Athleten und Mitarbeiter.

10. Persönliches Wachstum und Vorbildfunktion: Führungskräfte sollten selbst ein Beispiel für kontinuierliches Lernen und Ethik geben.

Die Rolle der Fairness in der ethikorientierten Führung

Fairness ist ein grundlegendes Prinzip der ethikorientierten Führung im Sport. Sie erhöht die Identifikation und das Vertrauen innerhalb des Teams und fördert die intrinsische Motivation, das Engagement und die Bereitschaft zur Innovation (Frey & Hüffmeier, 2020).

1. Ergebnisfairness: Bezieht sich auf die gerechte Verteilung von Belohnungen, Ressourcen und Anerkennung.

2. Prozedurale Fairness: Bezieht sich auf die transparenten und nachvollziehbaren Entscheidungsprozesse.

3. Informationale Fairness: Bedeutet, dass Informationen rechtzeitig, ehrlich und vollständig weitergegeben werden.

4. Interaktionale Fairness: Bezieht sich auf den respektvollen und wertschätzenden Umgang innerhalb des Teams.

Fazit und Take-Home-Message

Eine ethikorientierte Führung im Sport, die Exzellenz und Menschlichkeit vereint, schafft ein nachhaltiges und respektvolles Umfeld, in dem Athleten bzw. Athletinnen und Teams nicht nur ihre sportlichen Ziele erreichen, sondern auch persönlich wachsen können. Durch die Integration von Philosophie, Ökonomie und Psychologie sowie die Anwendung von Prinzipien wie Fairness, Transparenz und Reflexion können Führungskräfte eine Kultur der Exzellenz und Menschlichkeit fördern, die weit über den sportlichen Erfolg hinausgeht. Die Take-Home-Message lautet daher: Erfolgreiche Führung im Sport bedeutet, Menschlichkeit und Exzellenz miteinander zu verbinden und dabei stets die ethischen Grundwerte im Blick zu behalten.

Journaling-Übung: Reflektieren Sie in Ihrem Sporttagebuch, wie Sie in Ihrer Rolle als Trainer*in, Manager*in oder Sportler*in ethische Prinzipien in Ihrem Alltag umsetzen können. Notieren Sie konkrete Situationen, in denen Sie Exzellenz und Menschlichkeit erfolgreich vereint haben, und überlegen Sie, wie Sie diese Prinzipien in Zukunft noch stärker integrieren können.

Literaturverzeichnis

Baltes, P. B. (1997). On the incomplete architecture of human ontogeny: Selection, optimization, and compensation as foundation of developmental theory. American Psychologist, 52 (4), 366-380.

Frey, D. (2018). Ethische Führung: Theorie und Praxis eines integrativen Ansatzes. Springer.

Frey, D., & Hüffmeier, J. (2020). Führung und Verantwortung: Eine psychologische Perspektive. Hogrefe.

Jonas, H. (1979). Das Prinzip Verantwortung: Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Suhrkamp.

Popper, K. (1973). Objective Knowledge: An Evolutionary Approach. Clarendon Press.

West, M. A. (2012). Effective Teamwork: Practical Lessons from Organizational Research. BPS Blackwell.

Prof. Dr. René Paasch

Prof. Dr. René Paasch

Professor für Sportpsychologie und Life Coaching

Ich bin verheiratet, habe 7 Kinder und lebe inzwischen in Bayern. Als Familienmensch haben Werte wie Vertrauen, Offenheit und Verantwortung einen hohen Stellenwert für mich.
In meiner Arbeit als Sportpsychologe und Life Coach vertrete ich eine ganzheitliche Sicht. Egal ob Spitzen- oder Breitensport, Beruf oder Privat – jede Situation hat bringt eigene Herausforderung mit, weshalb mich immer das Gesamtpaket interessiert und begeistert.
Weil keine Begleitung und Betreuung der vorherigen gleicht, liebe ich meine Arbeit. Ich verstehe mich dabei als Coach und Mentor und bringe mein gesamtes Wissen und mein Netzwerk in eine Zusammenarbeit mit ein.