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„Mental Toughness“ im Sport

von | 07.05.24 | Prof. Dr. René Paasch

Sich nicht nur ein Ziel setzen, sondern gegen alle Widerstände daran festhalten. Immer an seine Fähigkeiten glauben, auch in ganz schwierigen Momenten. Nicht nur, jede Herausforderung anzunehmen, sondern konsequent danach zu suchen. Viele Athleten träumen von einem solchen “Mindset”. Allerdings wird Sportlern nur sehr selten eine solche mentale Stärke in die Wiege gelegt. Dass ist aber gar nicht schlimm, denn Athleten können sich ihre “Mental Toughness” erarbeiten. 

Zum Thema: Mit mentaler Stärke herausragende Leistungen erbringen

„Der Mensch ist ein Absurdum. Wenn es mental läuft, kann man alles schaffen.“ Andrea Petkovic nach dem Sieg im Halbfinale des Fedcups über Kusnezowa 2015

Zuletzt ist mir allen voran im Tennis aufgefallen, wie häufig das Schlagwort „Mental Toughness” verwendet wird. Allen voran in englischsprachigen Medien findet es zunehmend häufig Verwendung. Zudem scheinen auch die Athleten selbst das Konzept verinnerlicht zu haben, indem sie in Interviews regelmäßig auf die Bedeutung der mentalen Stärke hinweisen. Oft sogar als Begründung für Erfolg und Misserfolg. Aber was bedeutet die Begrifflichkeit „Mental Toughness“ eigentlich?

Sie ist das Ergebnis von persönlichen Überzeugungen, Einstellungen und Denkprozessen, die dazu führen, dass sich Personen… 

  • herausfordernde Ziele setzen und an diesen auch unter Schwierigkeiten festhalten, 
  • Misserfolge besser wegstecken, 
  • eine höhere Motivation aufweisen,
  • sich weniger ablenken lassen und 
  • insgesamt mehr Anstrengung und Ausdauer zur Erreichung ihrer Ziele aufbringen.  

„Mental Toughness“ im Sport 

Zweifellos ist auch mentale Stärke im Tennis ein wichtiges Thema. Hier kommen wir an dem amerikanischen Sportpsychologen James Loehr nicht vorbei. Sein 1994 verfasstes Buch „The new toughness training for sports“ liegt seit längerer Zeit auch als deutsche Übersetzung vor (Loehr, 2003). Dies ist wirklich zu empfehlen, auch wenn es aus wissenschaftlicher Sicht vielleicht ein bisschen zu absolut mit den Erkenntnissen aus der individuellen Trainingsarbeit umgeht. Aber geschenkt! Loehr hat mit seiner Arbeit ab Mitte der 1980er Jahre viel dazu beigetragen, dass mentalen Aspekten im Sport eine größere Bedeutung zugeschrieben wird. 

Zurück zum Thema: Als “mental tough“ bezeichnete Loehr Athleten, die dazu in der Lage sind, in der Hitze des Wettkampfgeschehens einen idealen Wettkampfzustand innezuhalten. Basierend auf Gespräche mit Eliteathleten wies Loehr daraufhin, dass zwischen Sportlern erstaunliche Ähnlichkeiten hinsichtlich der Interpretation erfolgsbestimmender psychologischer Faktoren existieren. Entsprechend kam er zu dem Schluss, dass „Mental Toughness“ die Fähigkeit eines Athleten beschreibt, seine Energie während kritischer Ereignisse optimal zu nutzen und herausfordernde bzw. belastende Situationen positiv zu deuten. 

Schauen wir uns genauer an, was die Kerneigenschaften von „Mental Toughness“ im Sport sind (Geber, 2011): 

  1. unerschütterlicher Glaube an seine Fähigkeit, seine wettkampfbezogenen Ziele erreichen zu können
  2. unerschütterlicher Glaube an seine Fähigkeit, die einzigartigen Qualitäten und Fähigkeiten zu besitzen, die einem im Vergleich zu seinen Gegnern überlegen machen
  3. unstillbares Verlangen und internalisierte Motive nach Erfolg
  4. Fähigkeit, sich von Rückschlägen schnell zu erholen
  5. Neigung, sich unter Wettkampfdruck (besonders) wohlzufühlen
  6. Akzeptanz, dass Wettkampfangst unausweichlich ist und Überzeugung, mit Unsicherheiten fertig zu werden
  7. Fähigkeit, sich durch die (guten oder schlechten) Leistungen anderer nicht beeinflussen zu lassen
  8. Fähigkeit, bei Ablenkungen aus dem außersportlichen Leben weiterhin vollkommen fokussiert zu bleiben
  9. Fähigkeit, den Fokus nach Bedarf schnell auf den Sport hin- und wegzurichten
  10. Fähigkeit, sich bei Ablenkungen im Wettkampf vollkommen auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren
  11. Fähigkeit, seine physische und psychische Schmerztoleranzgrenze nach oben zu regulieren
  12. Fähigkeit, nach unerwarteten und unkontrollierbaren Ereignissen schnell wieder psychologische Kontrolle zu erlangen

Ein Selbsttest zur mentalen Stärke

Wäre es nicht spannend zu erfahren, wie es um Ihre mentale Stärke bestellt ist? Mit meinen Sportlern nutze ich gern einen Test, dessen Ergebnis sich in der praktischen Arbeit oft als guter Richtwert erwiesen hat.

Ich nutze dafür das theoriebasierte 4-C-Modell von Peter Clough und Keith Earle (2012), da es sehr umgänglich, kontaktfreudig und aussagekräftig ist. Der Onlinetest befindet sich laut Herausgeber in der Validierungsphase. Die Ergebnisse können daher ungenauer sein als beim endgültigen Test. Wichtiger Hinweis: Diese Auswertung ersetzt keine sportpsychologische Betreuung.

Hier geht es zur Testung: https://www.psychomeda.de/online-tests/mentale-staerke-test-im-sport.html

“Mental Toughness” trainieren

Damit sind wir schon in der praktischen Umsetzung. Denn mentale Stärke lässt sich trainieren. Schauen wir uns dazu die vier Komponenten confidence, challenge, control und commitment des 4C-Modells von Clough und Earle (2012) noch einmal genauer an:

  • Confidence: Mental starke Personen sind von ihren Fähigkeiten überzeugt (gleichbedeutend mit Banduras Selbstwirksamkeit)
  • Challenge: Herausforderungen werden bewusst angenommen bzw. aktiv gesucht
  • Control: Die innere Überzeugung, dass z.B. Situationen und Herausforderungen beherrschbar, kontrollierbar also auch zu bewältigen sind 
  • Commitment: Das unbeirrbare, innerliche Festhalten an den bereits gesetzten Zielen

Fazit

Vor dem Hintergrund, dass „Mental Toughness“ nur zu Teilen genetisch festgelegt ist, sollte die Förderung bereits im Kindesalter stattfinden und eine Schlüsselrolle im Sport und Leben erhalten. Selbst kleinste Leistungssteigerungen durch psychologische Fertigkeiten entscheiden oft über Erfolg und Misserfolg und leisten einen besonderen Beitrag für die Gesundheitsförderung.   

Literatur

Clough, P.J. & Strycharczyk, D (2012): Applied mental toughness: A tool kit for the 21st Century. Kogan Page.

Golby, J. & Sheard, M. (2004): Mental toughness and hardiness at different levels of rugby league. Personality and Individual Differences, 37, 933–942.

Gerber, M. (2011): Mentale Toughness im Sport. 

Jones, G., Hanton, S. & Connaughton, D. (2002): What is this thing called mental toughness? An investigation of elite sport performers. Journal of Applied Sport Psychology, 14, 205–218.

Loehr, James (1997): Tennis im Kopf, der mentale Weg zum Erfolg. BLV Verlagsgesellschaft

Loehr, J.E. (2003): Die neue mentale Stärke. Sportliche Bestleistung durch mentale, emotionale und physische Konditionierung. München: BLV Verlagsgesellschaft mbH.

Satow, L. (2012): Online im Internet: URL: http://www.drsatow.de.

Weinberg, R. S., & Gould, D. (2011). Foundations of sport and exercise psychology (5th ed.). Leeds: Human Kinetics.

Prof. Dr. René Paasch

Prof. Dr. René Paasch

Professor für Sportpsychologie und Life Coaching

Ich bin verheiratet, habe 7 Kinder und lebe inzwischen in Bayern. Als Familienmensch haben Werte wie Vertrauen, Offenheit und Verantwortung einen hohen Stellenwert für mich.
In meiner Arbeit als Sportpsychologe und Life Coach vertrete ich eine ganzheitliche Sicht. Egal ob Spitzen- oder Breitensport, Beruf oder Privat – jede Situation hat bringt eigene Herausforderung mit, weshalb mich immer das Gesamtpaket interessiert und begeistert.
Weil keine Begleitung und Betreuung der vorherigen gleicht, liebe ich meine Arbeit. Ich verstehe mich dabei als Coach und Mentor und bringe mein gesamtes Wissen und mein Netzwerk in eine Zusammenarbeit mit ein.