Die Zeiten der geradlinigen Trainerkarrieren im (Leistungs-)sport sind vorbei. Im Zeitalter von Digitalisierung, Transformation und Beschleunigung gibt es kein Patentrezept, welches Sie, liebe Trainer und Trainerinnen, geradlinig zu Spitzenpositionen führt. Heute kann der Weg nach oben auch ganz anders verlaufen. Er kann ungesichert und voller Kurven sein. Da tauchen überraschende Seitenwege auf, aber auch neue Anforderungen und Stolpersteine. Doch vielleicht ist dieser Umbruch ja gar nicht so schlecht. Vielleicht steckt darin sogar eine Chance. Sie und ich unternehmen eine kleine Reise in meine Erfahrungswelt mit erfahrenen Trainer*innen im Amateur- und Profisport. Sie erfahren, wie Sie Ihre Karrieretauglichkeit überprüfen, welche Regeln beim Karrieremachen gelten und wie Sie an Ihrer Persönlichkeit arbeiten können.
Zum Thema: Trainerpersönlichkeiten entwickeln
Was heißt denn überhaupt Karriere? Diese Frage lässt sich nicht ganz eindeutig beantworten. Früher ging es bei Trainerkarrieren vor allem um ehemalige Fußballprofis, es ging um Macht und Status. Und selbstverständlich sind diese Punkte auch heute nicht gänzlich vom Spielfeldrand zu trennen: Einfluss und Ansehen sind noch immer starke Triebfedern für viele Menschen. Und der Profitrainer, der dauerhaft freiwillig im Nachwuchsfußball arbeiten möchte, müsste viel besser gefördert und bestärkt werden. Und doch verbinden wir mit Karrieren zunehmend auch andere Dinge. Vielen geht es nicht mehr so sehr um die Anstellung als solche, sondern um die Möglichkeit zu gestalten. Nicht der Reichtum steht im Vordergrund, sondern die Freiheit, die damit verbunden ist. Und gerade junge Trainer suchen heute weniger nach Prestige, sondern nach Sinnhaftigkeit. Sie wollen bleibende Werte schaffen, an etwas Größerem beteiligt sein. Wie gesagt, dieser Umbruch zeigt sich in der Wirtschaft, in der Gesellschaft und damit auch im Sport.
Früher sahen wir in Führungspositionen meist den immergleichen Trainertypen: ehemaliger Fußballprofi, männlich, ehrgeizig und dominant. Doch mittlerweile sind nicht mehr nur Ellenbogen gefragt, sondern Teamfähigkeit, Empathie und Kooperation. Wer immer noch glaubt, ein Sportvorstand aus alternden egomanen Männern bringe tatsächlich Innovationen hervor, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Denn heute heißt es: Diversität ist Trumpf. Und das gilt für Geschlecht und Herkunft ebenso wie für Qualifikation und Alter. In der Führungsriege sitzen lauter ehemalige Fußballprofis? Nicht sehr originell. Warum nicht auch Philosophinnen, Psychologen oder Mathematiker mit ins Boot holen? Das Team sollte aus meiner Sicht mit blutjungen Neulingen und älteren bestehen! Eine Mischung aus älteren und erfahrenen Person, die dem jugendlichen Ungestüm Besonnenheit und Erfahrung entgegenstellen und umgekehrt könnten ein paar jüngere Gesichter frischen Wind in die oberen Etagen bringen.
Qualitätsanspruch an Trainer
Aber was heißt das nun ganz konkret für Sie? Schauen wir uns dazu mal an, welche Fähigkeiten zeitgerecht sind. Es gibt typische Trainer-Qualitäten, die zeitlos sind. Sie müssen Verantwortung übernehmen können. Sie sollten integer sein und über ein unerschütterliches Wertesystem verfügen. Außerdem brauchen sie Durchsetzungsfähigkeit, Leistungswillen und Motivation, am besten gepaart mit einer guten Portion Opferbereitschaft. Was heute jedoch gar nicht mehr gut ankommt, sind Konkurrenzdenken, Überheblichkeit und Besserwisserei. Statt mit Zähnen und Klauen Ihren Posten zu verteidigen, solltest Sie in der Lage sein, selbstkritisch zu denken und Ihr Handeln zu reflektieren. Es ist besser, Wissenslücken einzugestehen und entsprechend zu reagieren, als stur auf der eigenen Unfehlbarkeit zu beharren. Seine Grenzen zu erkennen und Aufgaben entsprechend zu delegieren, ist kein Manko, sondern ein Pluspunkt.
Aber der heutige Profisport bringt noch ganz andere Herausforderungen mit sich: Wenn Sie als künftiger Cheftrainer nicht hoffnungslos untergehen oder nach wenigen Jahren im Burnout landen wollen, müssen Sie flexibel und anpassungsfähig sein. Sie sollten mit Druck und Ungewissheit umgehen können. Niemandem – am wenigsten Sie selbst – ist gedient, wenn Sie beim kleinsten Anzeichen von Niederlagen oder schlechten Schlagzeilen in Schockstarre verfallen. Denken Sie daran: Als Cheftrainer ist es Ihr Aufgabe, anderen Orientierung zu geben. Seien Sie der Fels in der Brandung, nicht das Blatt im Wind.
Persönliche Eigenschaften
Also: Motivation und Integrität, Leistungswille und Teamfähigkeit, Selbstreflexion und Adaptivität; was haben all diese Dinge gemeinsam? Richtig: Es sind alles persönliche Eigenschaften – kein erlerntes Wissen. Aber bedeutet das, dass Fachwissen heute gar nichts mehr zählt? Nein, natürlich nicht. Aber auch hier tun sich neue Wege auf. Bislang sah der typische Werdegang von Trainern meist so aus: erst Schule, dann Profifußball und evtl. Studium – am besten Sportmanagement – und anschließend ging es in kürzester Zeit zum Fußballlehrer und nach dem Gruppenfoto in den Nachwuchsfußball, anschließend in den Profifußball. Das ist auch immer noch ein gängiger und natürlich völlig akzeptabler Weg. Nur ist es eben nicht mehr der einzige.
Denn heutzutage gilt: Wenn Sie wirklich Karriere machen wollen, können Sie mit jedem Abschluss einen Einstieg in die Trainertätigkeit finden. Eine Ausbildung und/oder Studium ist allerdings schon wichtig, denn dort lernen Sie strukturiert und analytisch zu denken – Fähigkeiten, die in jeder Führungsposition unverzichtbar sind.
Was sind Sie für ein Mensch?
Eine beliebte Frage, die Job-Kandidaten im Erstgespräch gestellt wird, lautet: „Erzählen Sie mal, wie wurden Sie, was Sie heute sind?“ Die Frage zielt darauf ab, etwas über die Persönlichkeit und den Background der Person zu erfahren. Wie reagiert die Person auf Komplikationen? Wie geht sie mit Misserfolgen um? Hat sie den nötigen Biss, um im hektischen Alltagsgeschäft zu bestehen? All dies lässt sich aus der Biografie und der Sozialisation eines Menschen besser ablesen als aus der Zeit als aktiver Spieler und aus Arbeitszeugnissen. Und deshalb sollten Sie selbst Ihre eigene Biografie auch sehr gut kennen und sich Gedanken über sich machen. Und zwar wertfrei. Es geht nicht um „gut“ oder „schlecht“ – oder darum, in eine Opferrolle zu fallen, nach dem Motto: „Ach, was hatte ich es doch schwer, darum wird aus mir sowieso nichts werden.“ Das stimmt meistens nämlich ohnehin nicht. Es ist immer wieder faszinierend, wie manche Menschen gerade aus Schicksalsschlägen oder prekären Verhältnissen heraus die Kraft entwickeln, sich nach oben zu arbeiten.
Also denken Sie mal an Ihr bisheriges (sportliches) Leben zurück: Welche Erfahrungen haben Sie geprägt? Welche Werte und Präferenzen wurden Ihnen von zu Hause mitgegeben? Mussten Sie sich schon früh allein durchboxen oder gab es Rückhalt aus der Familie? Welche Glaubenssätze tragen Sie mit sich herum? Wenn Sie sich selbst bestmöglich verstehen, können Sie mit voller Energie Ihre Ziele angehen und Schwachstellen rechtzeitig entgegenwirken. Ein hohes Maß an Selbstreflexion ist aber noch aus einem anderen Grund wichtig. In Ihrem Leben wird es immer wieder Gabelpunkte geben, an denen Sie wegweisende Entscheidungen treffen müssen. Bleibe ich im Leistungsfußball oder baue ich mir eine neue Existenz auf? Wäre ich bereit, für meinen Traumjob weit weg zu ziehen? Möchte ich Kinder oder Karriere – oder traue ich mir zu, beides unter einen Hut zu bringen? So unterschiedlich diese Fragen sind, sie sind alle wichtig und sollten wohlbedacht sein. Sie werden sie umso leichter beantworten können, je besser Sie sich selbst verstehen und Ihre Werte und Motive, Ihre Stärken und Schwächen kennen. Das wird Sie zwar nicht gänzlich vor Fehlentscheidungen bewahren, doch zumindest können Sie so den einen oder anderen Fehltritt vermeiden. Weitere Inhalte finden Sie hier:
Fazit
Wenn Sie sich selbst gut kennen, bereit sind, stetig an sich zu arbeiten und dabei Herausforderungen und Alternativen einigermaßen im Blick behalten, steht einer erfolgreichen Trainerkarriere nichts im Weg!