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Teil 1: Entfesselung des vollen Potenzials – Jenseits von angeborenem Talent

von | 04.07.24 | Prof. Dr. René Paasch

In einer Welt, in der häufig angenommen wird, dass Erfolg ausschließlich von angeborenem Talent abhängt, zeigt die moderne Forschung eine andere Perspektive. Ein aktuelles Beispiel ist der Erfolg von Lionel Messi, der durch harte Arbeit und kontinuierliches Training zu einem der besten Fußballspieler der Welt wurde, trotz anfänglicher Zweifel an seinen physischen Voraussetzungen.

Zum Thema: Die Grundlage des Erfolgs – Motivation und gezieltes Lernen

In einer Gesellschaft, die von der Vorstellung dominiert wird, dass Spitzenleistung ausschließlich eine Frage des Talents ist, bietet die moderne Forschung eine faszinierende Gegenperspektive. Die gängige Meinung, dass man entweder mit Talent geboren wird oder nicht, wird durch zahlreiche wissenschaftliche Studien hinterfragt. Dieser Diskurs führt uns zu einer revolutionären Sichtweise: Es ist nicht das angeborene Talent, sondern vielmehr die Motivation und der Wille zum Lernen, die Menschen zu außergewöhnlichen Leistungen antreiben.

Wissenschaftliche Untersuchungen zur Lernbereitschaft

Empirische Untersuchungen wie die von Ericsson et al. (1993), die die Rolle von zielgerichteter Übung („deliberate practice“) in der Entwicklung von Expertise beleuchten, bestätigen, dass durchschnittliche Individuen außerordentliche Fähigkeiten entwickeln können, wenn sie gezielt und motiviert trainieren. Ericssons Arbeit, insbesondere sein Konzept der „10.000-Stunden-Regel“, das später durch populärwissenschaftliche Werke wie Malcolm Gladwells „Outliers“ (2008) bekannt wurde, illustriert, wie wiederholte Übung und engagiertes Lernen das, was als ‚Talent‘ wahrgenommen wird, tatsächlich übertrumpfen kann.

Die Meta-Analyse von Macnamara, Hambrick und Oswald (2014) untersucht die Rolle der zielgerichteten Übung („deliberate practice“) in verschiedenen Bereichen wie Musik, Spielen, Sport, Bildung und Berufen. Sie zeigt, dass deliberate practice zwar ein wichtiger Faktor für Spitzenleistungen ist, jedoch nicht der einzige. Die Analyse verdeutlicht, dass auch andere Faktoren, wie genetische Prädispositionen und die Qualität der Trainingsumgebung, maßgeblich zum Erfolg beitragen.

Praxisbeispiele

Die „Tennessee STAR Studie“, durchgeführt in den späten 1980er-Jahren, untersuchte primär den Einfluss der Klassengröße auf den Lernerfolg von Schülern aus 79 verschiedenen Schulen in Tennessee. Diese Untersuchung umfasste 11.000 Schülerinnen und Schüler von der Vorschule bis zur dritten Klasse und bildet eine der umfangreichsten empirischen Datenbasen in diesem Forschungsbereich. Drei Jahrzehnte später wertete der Ökonom Raj Chetty (2010) diese Daten erneut aus, um langfristige Auswirkungen verschiedener Bildungsfaktoren zu analysieren. Chettys Studien führten zu der Erkenntnis, dass nicht traditionelle kognitive Fähigkeiten, sondern vielmehr nicht-akademische Kompetenzen wie Proaktivität, Sozialverhalten, Entschlossenheit und Disziplin entscheidend für den beruflichen und finanziellen Erfolg im Erwachsenenalter waren.

Chettys Arbeit stützt sich auf eine wachsende Forschungsliteratur, die die Bedeutung von sozial-emotionalen Fähigkeiten hervorhebt. Diese Studien zeigen, dass solche Fähigkeiten, die oft unter dem Begriff „Charakter“ zusammengefasst werden, eine kritische Rolle in der persönlichen und beruflichen Entwicklung spielen. Adam Grant betont in seinem Werk, dass Exzellenz eine Frage des Charakters sei, und definiert Charakter als die Fähigkeit, bewusst Verhaltensweisen zu wählen, die langfristig zielführend sind, insbesondere unter Druck.

Die Forschung zu fehlerfreundlichen Lernumgebungen unterstützt diese Perspektive weiter. In Kulturen, die Fehler als Lerngelegenheiten ansehen und nicht als Versagen rügen, entwickeln Kinder eine robustere Einstellung gegenüber Herausforderungen und eine höhere Resilienz. Die Wissenschaft zeigt, dass das Lernen durch Fehler – ein zentraler Aspekt des „Growth Mindset“, das von Carol Dweck in ihrer wegweisenden Forschung beschrieben wurde – eine effektive Methode ist, um nicht nur akademische, sondern auch persönliche Fähigkeiten zu verbessern.

Take-Home-Message

Erfolg ist weniger eine Frage des angeborenen Talents als vielmehr das Ergebnis von Motivation, gezieltem Lernen und der Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen. Indem wir diese Prinzipien in unser Leben integrieren, können wir unser volles Potenzial entfalten.

Literaturverzeichnis

Ericsson, K. A., Krampe, R. Th., & Tesch-Roemer, C. (1993). The role of deliberate practice in the acquisition of expert performance.

Macnamara, B. N., Hambrick, D. Z., & Oswald, F. L. (2014). Deliberate practice and performance in music, games, sports, education, and professions: A meta-analysis.

Chetty, R., Friedman, J.N., Hilger, N., Saez, E., Whitmore, D., Schanzenbach, D. Y., (2010). How does your Kindergarten classroom affect you earning? Evidence from project Stars.

Prof. Dr. René Paasch

Prof. Dr. René Paasch

Professor für Sportpsychologie und Life Coaching

Ich bin verheiratet, habe 7 Kinder und lebe inzwischen in Bayern. Als Familienmensch haben Werte wie Vertrauen, Offenheit und Verantwortung einen hohen Stellenwert für mich.
In meiner Arbeit als Sportpsychologe und Life Coach vertrete ich eine ganzheitliche Sicht. Egal ob Spitzen- oder Breitensport, Beruf oder Privat – jede Situation hat bringt eigene Herausforderung mit, weshalb mich immer das Gesamtpaket interessiert und begeistert.
Weil keine Begleitung und Betreuung der vorherigen gleicht, liebe ich meine Arbeit. Ich verstehe mich dabei als Coach und Mentor und bringe mein gesamtes Wissen und mein Netzwerk in eine Zusammenarbeit mit ein.