In einem spannenden und mitreißenden Finale gegen Portugal krönt sich Deutschlands U21 zum dritten Mal zum Europameister. Um es in den Worten von Trainer Stefan Kuntz zu sagen: „Hyänen mit Adleraugen und Löwenherz“. Was er damit wohl gemeint hat? In den vergangenen Jahren hat der Fußball sogenannte Stars und Leader bevorzugt. Bis heute werden daher individuelle Leistungen in den Mittelpunkt gerückt, sei es der treffsichere Stürmer oder die unterschiedlichen gezahlten Gehälter. In Zukunft werden diese Spieler jedoch keine Pokale mehr gewinnen. Was wir brauchen sind Teams. Damit stehen wir im Fußball aber vor einer gewichtigen Frage: Was benötigen Mannschaften, damit sie nicht nur irgendwie funktionieren, sondern herausragende Leistungen vollbringen? Der folgende Beitrag möchte aufzeigen, worauf es ankommt, wenn man erfolgreiche Mannschaften entwickeln will und warum es besser ist, nicht auf Erfolge abzuzielen, sondern als Maßstab kontinuierliche Weiterentwicklung, einen positiven Führungsstil und das Gelingen zu nehmen.
Zum Thema: Vielfältige soziale Dynamiken in Fußballmannschaften fördern
Große Visionen beginnen immer im Kopf eines Vereinsmanagers oder Trainers. Wirklichkeit werden sie aber erst, wenn sich viele Akteure in Verbundenheit daran machen, diese zu realisieren. Wie wir im Fußball zukünftig zusammenarbeiten werden, wird sich weiterhin in Richtung „Wir“ verändern. In der Vergangenheit haben meist Einzelpersonen andere für ihre Ziele arbeiten lassen. Je größer die Idee, desto mehr Manipulation und Intrigen mussten zur Umsetzung gefunden werden. Ob sich diese Menschen ebenfalls für die Idee begeisterten, spielte zu oft keine Rolle. Meist waren sie abhängig von ihren Trainern oder wurden mit extrinsischen Mitteln bewegt, an der Umsetzung mitzuwirken. Dabei formten sich jene festgefahrenen Vereins- und Mannschaftstrukturen heraus, die wir bis heute zum Teil im Fußball erleben. Doch ist daran alles schlecht?
Immerhin sind auf diese Weise großartige Leistungen zustande gekommen. Diese Strukturen haben allerdings dazu geführt, dass wir Individuen mehr schätzen als Teams. Ob in Nachwuchsleistungszentren oder im Profisport – immer steht der Einzelne mit seiner Leistung im Mittelpunkt. Dabei wissen wir wozu Teams imstande sind, die sich gemeinsam auf den Weg machen. In der Geschichte gab es immer wieder herausragende Teamleistungen. Man denke nur an die griechische Fußballnationalmannschaft, die als Underdog die EM 2004 gewann oder an das isländische Team, das sich 2016 erstmals für eine EM-Endrunde qualifizierte und sich bis ins Viertelfinale durchkämpfte. Große Stars finden sich in diesen Mannschaften kaum – oder wie viele Namen von griechischen Nationalspielern aus dem damaligen Team fallen Ihnen noch ein? Es braucht die Sichtweisen und Fähigkeiten vieler, um tragfähige Vorstellungen zu entwickeln. Dabei geht es nicht nur darum, Erfolge zu erzielen, sondern gegenwärtig zum Gelingen zu bringen.
Gelingen und Erfolg
Auf den ersten Blick bedeuten Gelingen und Erfolg dasselbe: Eine Mannschaft oder der Einzelne nimmt sich etwas vor und erreicht es. Doch Gelingen unterscheidet sich von Erfolg in vielerlei Hinsicht. Stellen Sie sich folgendes vor: „Ein junger Ersatzspieler beschwert sich lautstark auf der Trainerbank über zu wenig Spielzeiten und bekommt schließlich seinen Einsatz. Und dann denken Sie an ein Kind, welches gerade zum ersten Mal einen Ball am Fuß hat. Wenn Sie diesem Kind in die Augen schauen, erkennen Sie ein Strahlen, das sich nicht bloß aus dem Erreichen eines bestimmten Ziels erklärt.
Gelingen hat eine andere emotionale Qualität als Erfolg. Außerdem ist Gelingen nicht nur von der eigenen Anstrengung abhängig. Das beste Beispiel hierfür sind Spielzeiten in Wettkämpfen. So sehr Sie es auch wollen, diese Entscheidung trifft der Trainer. Anders als Erfolg ist Gelingen auch kein Ereignis, das man einmal erreicht und dann abschließt. Sie können eine Fußball-Ausbildung im NLZ durchlaufen haben ohne Anspruch auf einen Profivertrag, doch Ihre persönliche Entwicklung dagegen ist ein Prozess der gelingen kann. Damit überhaupt etwas gelingen kann, müssen wir uns erlauben, groß zu denken. Oft wird uns allerdings schon früh das Träumen ausgetrieben und wir hören im Laufe unseres Lebens eine ganze Reihe von Sätzen, die uns dies verschleiern: „Heldenmut kommt vor dem Fall“ oder „Es gibt keinen Erfolg ohne harte Arbeit“ u.v.m. Solche Sätze werden zu unbewussten Überzeugungen, die unser Handeln prägen und uns die Chance nehmen, Erfahrungen des Gelingens zu machen. Um etwas zum Gelingen zu bringen, brauchen wir innere Wegweiser, die eine tiefe Sehnsucht ausdrücken. Wir wünschen uns gegenseitig immer „Viel Erfolg!“, dabei ist Erfolg nicht das, was uns wirklich weiterbringt. Erfolg ist eine bittersüße Frucht am Baum des Gelingens. Eher angebracht wäre es, wenn wir uns „Baldiges Stolpern!“ wünschten. Das will zwar niemand hören, aber diese Erfahrungen würden uns auf lange Sicht mehr nützen. Denn es führt zu jener mentalen Flexibilität, die notwendig ist, um im Leistungssport Fußball zurechtzukommen.
Teamvielfalt und positiver Leader
Erfolgreiche Mannschaften sind nichts anderes als Menschen, die sich gemeinsam auf den Weg machen und die verstanden haben, dass dabei ein Übermaß an Konkurrenzverhalten schädlich ist. Es sollte um Weiterentwicklung gehen – die jedes Einzelnen und die des gesamten Teams. Sie wissen um die Vorteile unterschiedlicher Perspektiven. Sie akzeptieren und lösen die Konflikte, die daraus erwachsen. So könnte bspw. die U21 auf dem Weg zur EM entschieden haben, jede Abstimmung nach dem Prinzip der „Hier und Jetzt – Wahl“ durchzuführen, d.h. so lange zu diskutieren, bis eine für alle tragbare Lösung gefunden war. Denn die Unterschiedlichkeit führt nicht nur zu Problemen, sondern bietet auch die Chance für jedes Individuum, Neues zu entdecken. In einer Mannschaft, die ihre Spieler ermutigt, ihre Talente zu entfalten und aus eigenem Antrieb Fähigkeiten zu entwickeln, finden Einzelne immer wieder neuartige Lösungen. Und was benötigen Trainer, um dies zu ermöglichen? Eine Möglichkeit wäre das „Positive Leadership“ und das Modell der Positiven Psychologie zu nutzen. Dieser stützt sich auf das PERMA-Modell nach Seligman (2012).
Erfolgreiche Trainer, wie bspw. Stefan Kuntz oder Hansi Flick zeigen vermehrt diese Eigenschaften auf:
- Emotionen
Ein positiver Trainer trägt dazu bei, dass sich Spieler im Verein und in der Mannschaft wohlfühlen, zufrieden sind und Spaß haben. Er ermöglicht positive Emotionen.
- Motivation, Flow
Ein positiver Trainer gibt seinen Spielern Aufgaben, die ihren individuellen Stärken entsprechen und hilft ihnen, diese auszubauen. Er unterstützt sie dabei, Fähigkeiten zu erkennen und fördert die individuelle Motivation.
- Beziehungen
Ein positiver Trainer sorgt dafür, dass sich Spieler im Team gegenseitig unterstützen und wertschätzend miteinander umgehen. Er trägt dazu bei, dass sich jeder als Teil des Teams erlebt und schafft somit tragfähige Beziehungen.
- Bedeutung, Sinnhaftigkeit
Ein positiver Trainer trägt dazu bei, dass Spieler Sinn in ihrem Tun erleben und dass sie wissen, wozu ihre Leistungsfähigkeit wichtig ist. Er vermittelt seinen Spielern, dass sie wertvolles leisten und vermittelt tieferen Sinn.
- Leistung, Zielerreichung
Ein positiver Trainer freut sich mit seinen Spielern, wenn sie sich entwickeln und lobt sie dafür. Er gibt seinen Spielern positives Feedback, wenn etwas erreicht wurde. Er macht positives Gelingen sichtbar.
Fazit
Damit Mannschaften herausragende Leistungen bringen, müssen sich nicht nur die Mannschaftsmitglieder emotional verbunden fühlen, sondern jeder Einzelne muss sich für das gemeinsame Ziel begeistern. Denn intrinsische Motivation wirkt stärker als jede Belohnung oder Bestrafung von außen. Sie profitieren von der Unterschiedlichkeit ihrer Spieler, da aus ihren neuen Ideen und Lösungen entstehen. Erfolgreiche Mannschaften streben nicht nach Harmonie oder dauerhaften Erfolg, sondern nach kontinuierlicher Weiterentwicklung. Auf diese Weise bleiben sie flexibel und sind in der Lage, sich neuen Anforderungen anzupassen, statt sich auf bisherige Erfolgsstrategien zu verlassen. Voraussetzung dafür sind positive Leader. Des Weiteren wünschen sie sich ein angstfreies Teamklima. Denn jeder sollte ohne Angst vor negativen Konsequenzen sich entfalten dürfen. Wissen die Spieler wie andere sie selbst, die anderen und das Team bewerten, müssen sie ihr Verhalten nicht an Vermutungen und Verhaltensweisen anderer ausrichten. Erst dann wird echtes Miteinander möglich.
Literatur
Carron, A. V., Hausenblas, H. A. & Eys, M. A. (2005). Group dynamics in sport. Morgantown: Fitness Information Technology.
Carron, A. V., Colman, M. M., Wheeler, J. & Stevens, D. (2002). Cohesion and performance in sports: A meta-analysis. Journal of Sport and Exercise Psychology, 24, 168-188.
Baumann, S. (2002): Mannschaftspsychologie: Methoden und Techniken. Aachen: Meyer & Meyer.
Krueger, R. (2001): Teamlife. Über Niederlagen zum Erfolg. Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter.
Poggendorf, A., Spieler, H. (2003): Teamdynamik – Ein Team trainieren, moderieren und systemisch aufstellen, Paderborn: Junfermann Verlag. (ISBN 3-87387-531-4)
Seligman, M. (2012): Flourish. Wie Menschen aufblühen. Die positive Psychologie des gelingenden Lebens. München, Deutschland: Kösel.
Sportschau:
https://www.sportschau.de/fussball/u21/portraet-stefan-kuntz-nach-triumph-im-u21-em-finale-100.html (Zugriff am 01.03.2024)
https://www.sportschau.de/fussball/talente-interview-psychologe-100.html (Zugriff am 07.02.2024)