Fußball ist weit mehr als ein bloßes Spiel; er verkörpert Leidenschaft, Kultur und für zahlreiche Menschen eine Lebensweise. In einer Zeit, die von stetigem Stress und negativen Nachrichten geprägt ist, eröffnet die Positive Organizational Scholarship (POS) einen inspirierenden und neuartigen Zugang zur Förderung des Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit innerhalb von Organisationen. Doch wie lässt sich diese wissenschaftliche Disziplin auf einen Fußballverein übertragen? Genau diese Frage untersucht mein neuester Blogbeitrag.
Zum Thema: Positive Organizational Scholarship im Fußball
Positive Organizational Scholarship (POS) ist ein Konzept, das von Kim Cameron und seinen Mitstreitern entwickelt und definiert wurde. Es konzentriert sich auf die Förderung positiver Prozesse und Ergebnisse in Organisationen und umfasst die wissenschaftliche Erforschung von Faktoren, die zu außergewöhnlichen individuellen und organisatorischen Leistungen führen, wie z. B. die Entwicklung menschlicher Stärken, Resilienz und Vitalität (Cameron & Caza, 2004). Dabei bezieht sich „positiv“ auf fördernde Prozesse und Ergebnisse in Organisationen, „organizational“ auf die zwischenmenschlichen und strukturellen Dynamiken, die in und durch Organisationen aktiviert werden, und „scholarship“ auf die wissenschaftliche, theoretisch abgeleitete und rigorose Erforschung des Positiven in Organisationen.
POS in der Praxis: Erfolgsbeispiele aus Barcelona, Liverpool und Ajax Amsterdam
Ein anschauliches Beispiel für die erfolgreiche Anwendung von POS im Fußball ist der FC Barcelona. Der Verein legt großen Wert auf die Förderung junger Talente in seiner berühmten Akademie „La Masia“. Diese Akademie ist nicht nur ein Trainingszentrum für Fußballtechniken, sondern auch ein Ort, an dem die ganzheitliche Entwicklung der Spieler bzw. der Spielerinnen im Vordergrund steht. In „La Masia“ werden die jungen Talente nicht nur sportlich, sondern auch auf persönlicher Ebene gefördert. Es wird großer Wert auf ihre schulische Ausbildung, soziale Fähigkeiten und charakterliche Entwicklung gelegt. Die Spieler*innen lernen Disziplin, Teamarbeit und Verantwortung, was ihnen nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch im Leben außerhalb des Sports zugutekommt. Diese Herangehensweise hat dem FC Barcelona nicht nur zahlreiche Titel eingebracht, sondern auch eine tiefe Verbundenheit und Loyalität der Spieler*innen gegenüber dem Verein geschaffen. Spieler wie Lionel Messi, Xavi Hernandez und Andres Iniesta sind herausragende Beispiele dafür, wie diese Philosophie Früchte trägt. Sie haben ihre gesamte Karriere im Verein verbracht und eine Ära des Erfolgs mitgestaltet, die weltweit Anerkennung findet. Der FC Barcelona zeigt auch eine hohe Bereitschaft zur Innovation und Anpassungsfähigkeit. Der Verein hat moderne Trainingsmethoden und Technologien in seinen Alltag integriert, um die Leistung der Spieler zu optimieren. Die Nutzung von Datenanalysen zur Verbesserung von Spielstrategien und individuellen Trainingsprogrammen ist ein weiterer Beweis für Barcelonas Engagement für Exzellenz. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die enge Verbindung zu den Fans. Der FC Barcelona fördert aktiv die Einbindung seiner Anhänger und schafft so ein Umfeld, in dem die Spieler zusätzliche Motivation und Rückhalt finden. Die Fans des Vereins sind weltweit bekannt für ihre Leidenschaft und Loyalität, was zu einer einzigartigen Atmosphäre in ihrem Heimstadion, dem Camp Nou, beiträgt.
Liverpool FC unter der Leitung von Jürgen Klopp hat eine ganzheitliche Herangehensweise zur Entwicklung seiner Spieler etabliert. Dabei werden nicht nur technische und taktische Fähigkeiten trainiert, sondern auch psychologische und soziale Aspekte berücksichtigt. Klopp legt großen Wert darauf, dass sich die Spieler in einem positiven Umfeld wohlfühlen und ihre individuellen Stärken gefördert werden. Klopp hat eine Kultur des Vertrauens und der Offenheit geschaffen, in der die Spieler ihre Meinung äußern und sich gegenseitig unterstützen können. Dies führt zu einem starken Teamgeist und einer positiven Psychologie innerhalb der Mannschaft. Die Spieler sind nicht nur Teamkollegen, sondern auch Freunde, was den Zusammenhalt und die Leistungsfähigkeit auf dem Platz stärkt. Ein zentraler Aspekt des Erfolgs von Liverpool FC ist der starke Teamgeist und die positive Psychologie. Diese Kultur hat maßgeblich zu den jüngsten Erfolgen des Vereins beigetragen, einschließlich des Gewinns der Champions League 2019 und der Premier League 2020. Die Spieler sind in der Lage, in Drucksituationen Ruhe zu bewahren und sich gegenseitig zu motivieren. Liverpool FC hat in den letzten Jahren auch durch seine Innovationsfreude und Anpassungsfähigkeit überzeugt. Der Verein setzt moderne Trainingsmethoden, Analysen und Technologien ein, um die Leistungsfähigkeit der Spieler zu optimieren. Diese Bereitschaft zur Innovation hat dazu beigetragen, dass Liverpool stets konkurrenzfähig bleibt und sich an die sich ständig verändernden Anforderungen des modernen Fußballs anpasst. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der starke Gemeinschaftssinn innerhalb des Vereins und die enge Bindung zu den Fans. Anfield, das Heimstadion von Liverpool, ist bekannt für seine einzigartige Atmosphäre und die leidenschaftliche Unterstützung der Fans. Der Verein fördert aktiv die Einbindung der Anhänger und schafft so ein Umfeld, in dem die Spieler zusätzliche Motivation und Rückhalt finden.
Ajax Amsterdam ist bekannt für seine herausragende Jugendausbildung. Die berühmte Ajax-Akademie legt großen Wert auf die ganzheitliche Entwicklung der Spieler, wobei nicht nur technische Fähigkeiten, sondern auch Werte wie Disziplin, Respekt und Teamgeist vermittelt werden. In der Ajax-Akademie werden die Spieler auf und neben dem Platz gefördert. Die Trainer und Betreuer arbeiten eng mit den Spielern zusammen, um ihre individuellen Stärken zu entwickeln und sie auf die Herausforderungen des Profifußballs vorzubereiten. Diese persönliche Betreuung sorgt dafür, dass die Spieler ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Spieler wie Johan Cruyff, Marco van Basten und Matthijs de Ligt sind Produkte dieser Philosophie und stehen für den nachhaltigen Erfolg des Vereins. Diese Spieler haben nicht nur in Ajax, sondern auch auf internationaler Ebene große Erfolge gefeiert und sind für ihre Technik, Disziplin und Führungsqualitäten bekannt. Der Verein hat immer wieder gezeigt, dass er bereit ist, neue Methoden und Ansätze zu integrieren, um den sportlichen Erfolg zu sichern. Dies umfasst innovative Trainingsmethoden, die Nutzung moderner Technologien und die Anpassung an neue Spielstile. Diese Innovationsfreude und Anpassungsfähigkeit sorgen für eine kontinuierliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit des Teams auf internationalem Niveau. Die positive Atmosphäre innerhalb des Vereins wird durch den starken Gemeinschaftssinn gefördert. Ajax legt großen Wert auf die Einbindung ehemaliger Spieler und die Schaffung eines familiären Umfelds, in dem sich die Spieler wohlfühlen und ihre besten Leistungen abrufen können. Diese Werte sind tief in der Vereinsphilosophie verankert und tragen maßgeblich zum langfristigen Erfolg bei.
Nachdem wir die theoretischen Grundlagen geklärt haben, werfen wir nun einen Blick auf konkrete Beispiele aus der Praxis.
Anwendung im Fußballverein
Ein Fußballverein stellt nicht lediglich ein sportliches Team dar, sondern eine vielschichtige Organisation, die aus verschiedenen Ebenen besteht: der Organisationsebene, der Teamebene und der Individualebene. Jede dieser Ebenen spielt eine entscheidende Rolle für den Gesamterfolg des Vereins. Die Organisationsebene umfasst die strukturellen und administrativen Aspekte des Vereins, einschließlich der strategischen Planung, des Managements und der Logistik. Hier werden wichtige Entscheidungen getroffen, die die Richtung und Entwicklung des gesamten Vereins beeinflussen. Die Teamebene betrifft die Dynamik innerhalb der Mannschaft, die Interaktion zwischen den Spielern und dem Trainerstab sowie die Entwicklung von Teamgeist und Zusammenhalt. Auf dieser Ebene ist die Förderung von Kommunikation, Vertrauen und gemeinsamer Zielsetzung von zentraler Bedeutung. Die Individualebene konzentriert sich auf die persönliche Entwicklung jedes einzelnen Spielers. Dies umfasst nicht nur die Verbesserung technischer und taktischer Fähigkeiten, sondern auch die Förderung psychologischer und sozialer Kompetenzen. Durch gezielte Unterstützung und individuelles Coaching kann das volle Potenzial jedes Spielers entfaltet werden.Durch die Implementierung der Prinzipien der Positiven Organisationalen Sozialisation (POS) können all diese Ebenen signifikant gestärkt werden. POS-Prinzipien betonen die Bedeutung von positivem Feedback, Anerkennung und einer unterstützenden Umgebung. Auf der Organisationsebene führt dies zu einer Kultur des Vertrauens und der Offenheit, in der Innovation und kontinuierliche Verbesserung gefördert werden. Auf der Teamebene trägt eine positive Feedback-Kultur dazu bei, dass Spieler ihre Stärken erkennen und weiterentwickeln können, was zu einem stärkeren Zusammenhalt und besserer Leistung auf dem Spielfeld führt. Auf der Individualebene unterstützt POS die ganzheitliche Entwicklung der Spieler, indem es nicht nur ihre sportlichen Fähigkeiten, sondern auch ihre persönlichen und sozialen Kompetenzen fördert. Studien belegen, dass Teams, die eine solche positive Feedback-Kultur pflegen, resilienter und erfolgreicher sind (Cameron, 2008). Dies zeigt, dass der Fokus auf positive soziale Interaktionen und die Schaffung eines unterstützenden Umfelds nicht nur theoretische Konzepte sind, sondern praktische und messbare Vorteile für den Verein bringen. Ein Fußballverein, der die Prinzipien der POS integriert, kann somit nicht nur sportlichen Erfolg erzielen, sondern auch eine nachhaltige und positive Organisationskultur schaffen, die langfristig zum Wohl aller Beteiligten beiträgt.
1. Organisationsebene
Auf dieser Ebene kann POS dazu beitragen, eine positive Kultur innerhalb des Vereins zu fördern. Eine solche Kultur legt den Fokus auf positive Bewertungen und Ergebnisse, die das Engagement und die Zufriedenheit der Mitarbeiter (Trainer, Betreuer, Verwaltung) erhöhen. Ein positiver Verein hat auch eine stärkere Anziehungskraft auf neue Talente und kann so sein „Employer Branding“ verbessern (Nilsson, 2015).
Ziel: Förderung einer positiven Kultur innerhalb des Vereins, Verbesserung der strukturellen und administrativen Prozesse, Steigerung des Engagements und der Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen
Wöchentliche Reflexionsfragen:
- Welche positiven Veränderungen habe ich in der letzten Woche in der Vereinsstruktur oder den administrativen Abläufen beobachtet?
- Wie habe ich in dieser Woche zu einer Kultur des Vertrauens und der Offenheit beigetragen?
- Welche Entscheidungen habe ich getroffen, die das langfristige Wohl des Vereins fördern?
- Welche innovativen Ideen oder Technologien habe ich in dieser Woche in den Verein integriert?
- Welche Maßnahmen habe ich ergriffen, um das Engagement und die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu erhöhen?
Aktionsplan:
- Notieren Sie mindestens drei spezifische Maßnahmen, die Sie in der kommenden Woche ergreifen werden, um eine positive Kultur zu fördern.
Überlegen Sie, wie Sie Mitarbeiterfeedback systematisch sammeln und in Entscheidungen einfließen lassen können.
Planen Sie regelmäßige Meetings ein, um innovative Ideen zu besprechen und zu implementieren.
2. Teamebene
Innerhalb der Mannschaft kann POS die Zusammenarbeit und das Vertrauen unter den Spielern stärken. Ein zentrales Konzept ist hier die „positive Bewertung“, die darauf abzielt, Stärken zu erkennen und zu fördern, anstatt Schwächen zu kritisieren. Dies führt zu einer erhöhten Motivation und besseren Leistungen auf dem Platz. Studien zeigen, dass Teams, die eine positive Feedback-Kultur pflegen, resilienter und erfolgreicher sind (Cameron, 2008).
Ziel: Stärkung des Teamgeists, Verbesserung der Zusammenarbeit und des Vertrauens unter den Spielern, Förderung einer positiven Feedback-Kultur.
Wöchentliche Reflexionsfragen:
- Wie habe ich in dieser Woche die Kommunikation innerhalb des Teams gefördert?
- Welche positiven Interaktionen oder Momente der Zusammenarbeit habe ich beobachtet?
- Wie habe ich die individuellen Stärken der Spieler erkannt und gefördert?
- Welche positiven Rückmeldungen habe ich gegeben und wie wurden sie aufgenommen?
- Wie habe ich auf Konflikte oder Herausforderungen im Team reagiert und diese gelöst?
Aktionsplan:
- Notieren Sie mindestens drei spezifische Maßnahmen, die Sie in der kommenden Woche ergreifen werden, um die Teamdynamik zu stärken.
- Planen Sie regelmäßige Team-Building-Aktivitäten ein, um den Zusammenhalt zu fördern.
- Überlegen Sie, wie Sie eine Kultur der positiven Rückmeldung systematisch etablieren können.
3. Individualebene
Für die einzelnen Spieler bedeutet POS, dass ihre persönliche Entwicklung gefördert wird. Dies umfasst nicht nur ihre sportlichen Fähigkeiten, sondern auch ihre mentale und psychische Gesundheit. Spieler, die sich in einem positiven Umfeld befinden, sind kreativer, weniger anfällig für Verletzungen und Fluktuation und zeigen insgesamt bessere Leistungen (Cameron et al., 2003).
Ziel: Förderung der persönlichen Entwicklung jedes einzelnen Spielers, Verbesserung der sportlichen, mentalen und psychischen Gesundheit.
Wöchentliche Reflexionsfragen:
- Wie habe ich in dieser Woche zur persönlichen Entwicklung der Spieler beigetragen?
- Welche Fortschritte habe ich bei den individuellen Fähigkeiten der Spieler beobachtet?
- Wie habe ich die mentale und psychische Gesundheit der Spieler unterstützt?
- Welche positiven Rückmeldungen habe ich einzelnen Spielern gegeben?
- Wie habe ich Spieler ermutigt, ihre persönlichen Ziele und Herausforderungen zu reflektieren und zu verfolgen?
Aktionsplan:
– Notieren Sie mindestens drei spezifische Maßnahmen, die Sie in der kommenden Woche ergreifen werden, um die individuelle Entwicklung der Spieler zu fördern.
– Planen Sie regelmäßige Einzelgespräche ein, um die persönlichen Ziele und Fortschritte der Spieler zu besprechen.
– Überlegen Sie, wie Sie systematisch individuelles Feedback und Coaching anbieten können.
Fazit
Die Anwendung der Prinzipien der POS in einem Fußballverein kann zu weitreichenden positiven Veränderungen führen. Von der Organisationsebene über die Teamdynamik bis hin zur individuellen Entwicklung bietet POS Werkzeuge und Ansätze, die das Wohlbefinden und die Leistung steigern. Dies zeigt, dass der Fokus auf das Positive nicht nur eine theoretische Idee ist, sondern praktische und messbare Ergebnisse liefert.
Take Home Message
Positive Organizational Scholarship (POS) bietet Fußballvereinen einen innovativen und wissenschaftlich fundierten Ansatz zur Steigerung des Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit. Durch die Anwendung von POS-Prinzipien können auf der Organisations-, Team- und Individualebene signifikante positive Veränderungen erzielt werden. Eine Kultur des positiven Feedbacks, der Anerkennung und der Unterstützung führt zu einer stärkeren Verbundenheit, höherer Resilienz und besserer Performance sowohl bei den Spielern als auch im gesamten Verein. POS ermöglicht es Fußballvereinen, nicht nur sportliche Erfolge zu feiern, sondern auch eine nachhaltige und positive Organisationskultur zu schaffen, die langfristig zum Wohl aller Beteiligten beiträgt.
Literatur
1. Cameron, K. S.; Caza, A. (2004): Introduction: Contributions to the discipline of Positive Organizational Scholarship. In American Behavioral Scientist 47 (6), pp. 731–739. DOI: 10.1177/0002764203260207.
2. Cameron, K. S.; Dutton, J. E.; Quinn, R. E. (2003): An Introduction to Positive Organizational Scholarship. In Kim S. Cameron, J. E. Dutton, R. E. Quinn (Eds.): Positive Organizational Scholarship. San Francisco: Berrett-Koehler, pp. 3–13.
3. Cameron, K. S. (2008): Paradox in positive organizational change. In The Journal of Applied Behavioral Science 44 (1), pp. 7–24. DOI: 10.1177/0021886308314703.
4. Nilsson, S. (2015): The impact of Positive Organizational Scholarship on company performance. Journal of Business Research, 68(4), 803-810.