In der dynamischen und wettbewerbsorientierten Welt des Sports ist die Rolle der Führungskraft entscheidend für den Erfolg eines Teams. Traditionelle Führungsstile, die auf Autorität und Kontrolle basieren, werden zunehmend durch modernere Ansätze ersetzt, die das Wohlbefinden und die Entwicklung der Teammitglieder in den Vordergrund stellen. Eines der vielversprechendsten Modelle in diesem Bereich ist das Positive Leadership-Modell PERMA-Lead. Dieses Modell, entwickelt von renommierten Forschern wie Markus Ebner aus Österreich und unterstützt durch die Arbeiten von Fred Luthans und Kim Cameron, bietet eine umfassende Anleitung für eine positive und effektive Führung.
Zum Thema: Die Kunst des positiven Führens im Sport
PERMA-Lead steht für Positive Emotionen, Engagement, Tragfähige Beziehungen, Sinn und Erreichung. Diese fünf Elemente sind die Grundpfeiler einer positiven Führung, die nicht nur das Wohlbefinden der Sportler*innen fördert, sondern auch ihre Leistungsfähigkeit steigert. Studien haben gezeigt, dass positive Emotionen die Resilienz erhöhen (Fredrickson, 2001), Engagement die Produktivität und Kreativität fördert (Csikszentmihalyi, 1990), starke Beziehungen das Vertrauen und die Zusammenarbeit verbessern (Goleman, 2006), Sinn die Motivation und das Engagement erhöht (Steger, 2009) und die Anerkennung von Erfolgen das Selbstbewusstsein und die Zufriedenheit steigert (Locke & Latham, 2002).
Die Bedeutung von Positive Leadership im Sport kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sportler*innen stehen häufig unter immensem Druck, konstant hohe Leistungen zu erbringen, was ein unterstützendes Führungsumfeld umso wichtiger macht. Positive Leadership trägt dazu bei, diesen Druck zu mildern, gleichzeitig die Motivation zu steigern und das Engagement zu fördern. Durch die Schaffung eines positiven Umfelds können Sportler*innen ihr volles Potenzial entfalten und Spitzenleistungen erzielen.
Die Wirksamkeit von Positive Leadership wird durch zahlreiche wissenschaftliche Studien gestützt, insbesondere durch das PERMA-Lead Modell. Fred Luthans‘ Konzept des Psychological Capital (PsyCap) hebt die Bedeutung von Hoffnung, Selbstwirksamkeit, Resilienz und Optimismus für die Leistung und das Wohlbefinden hervor (Luthans, Youssef, & Avolio, 2007). Kim Cameron, ein Pionier im Bereich Positive Organizational Scholarship, zeigt auf, wie positive Praktiken in Organisationen zu besseren Ergebnissen führen können (Cameron, 2008). Markus Ebner hat das PERMA-Lead Modell weiterentwickelt und auf den Bereich des Sports übertragen. Seine Forschung zeigt, dass die Anwendung von PERMA-Lead die Zufriedenheit und Leistung von Teams signifikant verbessert.
Eine aktuelle Studie von Donaldson et al. (2021) bestätigt die Wirksamkeit des PERMA-Lead Modells im Sportkontext. Teams, die nach den Prinzipien des PERMA-Lead Modells geführt werden, erzielen eine höhere Teamkohäsion und bessere Leistungen. Besonders das Element „Positive Emotionen“ hat einen starken Einfluss auf die mentale Gesundheit und Resilienz der Athlet*innen. Darüber hinaus haben Harms et al. (2022) in ihrer Metaanalyse über Positive Leadership im Sport herausgefunden, dass Führungskräfte, die ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz und Empathie zeigen, bessere Ergebnisse in Bezug auf Teamdynamik und individuelle Leistung erzielen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Positive Leadership nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Leistungsfähigkeit erheblich steigern kann.
Bevor wir näher in die praktische Umsetzung des PERMA-Lead Modells einsteigen, ist es wichtig, eine erste Selbsteinschätzung vorzunehmen. Dies hilft, den aktuellen Stand Ihres psychologischen Kapitals zu bestimmen, welches den positiven psychologischen Entwicklungsstand eines Menschen widerspiegelt. Das psychologische Kapital umfasst vier zentrale Komponenten: Selbstwirksamkeit, Optimismus, Hoffnung und Widerstandsfähigkeit.
Selbsteinschätzung und Reflexion: Der Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung des PERMA-Lead Modells
Bitte bewerten Sie sich selbstkritisch auf einer Skala von 0 bis 10 (0 = gar nicht vorhanden, 10 = voll ausgeprägt) in Bezug auf die folgenden Punkte:
1. Selbstwirksamkeit:
Vertrauen Sie darauf, die notwendigen Anstrengungen unternehmen und durchführen zu können, um herausfordernde Aufgaben zu meistern?
2. Optimismus:
Haben Sie eine positive Einstellung hinsichtlich Ihres Erfolgs in der Gegenwart und in der Zukunft?
3. Hoffnung:
Sind Sie beharrlich auf Ihre Ziele ausgerichtet und in der Lage, neue Wege zu finden, um erfolgreich zu sein, wenn es nötig ist?
4. Widerstandsfähigkeit:
Können Sie bei Problemen und Widrigkeiten so damit umgehen, dass dies letztlich zum Erfolg führt?
Durch diese Selbstreflexion gewinnen Sie wertvolle Einsichten in Ihre eigenen Stärken und Entwicklungsbereiche. Diese Erkenntnisse sind essentiell, um die Prinzipien des PERMA-Lead Modells erfolgreich in die Praxis umzusetzen und Ihr persönliches sowie berufliches Wachstum zu fördern.
Abb. 1. Positive Leadership – PERMA LEAD, Ebner, 2018
Das PERMA-Lead Modell, abgebildet in dieser Grafik, basiert auf der positiven Psychologie und wurde von Markus Ebner weiterentwickelt, um es auf den Bereich des Sports anzuwenden. Es integriert die Kernkomponenten des PERMA-Modells von Martin Seligman, das aus fünf zentralen Elementen besteht: Positive Emotionen (Positive Emotions), Engagement, Relationships (Tragfähige Beziehungen), Meaning (Sinn) und Accomplishment (Erreichung). Zusätzlich wird im PERMA-Lead Modell der Aspekt „Lead“ als Führungskomponente hervorgehoben, die stärkenorientiert ist.
Positive Emotionen
Positive Emotionen sind essentiell für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit von Sportler*innen. Sie tragen zur Erhöhung der Motivation und zur Verbesserung der mentalen Gesundheit bei. Wissenschaftliche Studien, wie die von Fredrickson (2001), belegen, dass positive Emotionen die kognitiven Ressourcen erweitern und somit die Bewältigung von Herausforderungen erleichtern. Im Sport können positive Emotionen durch Maßnahmen wie das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs oder positive Feedback-Runden gefördert werden. Diese Praktiken helfen den Athlet*innen, eine positive Grundstimmung zu entwickeln, was ihre Leistungsfähigkeit steigert.
Engagement
Engagement bezieht sich auf das völlige Aufgehen in einer Tätigkeit, oft als Flow-Zustand bezeichnet (Csikszentmihalyi, 1990). Im Sport ist dies besonders relevant, da Athlet*innen in diesen Zuständen ihre besten Leistungen erbringen. Übungen wie Flow-Aktivitäten und individuelle Zielsetzungen können helfen, diesen Zustand zu erreichen. Das Gestalten von Trainingseinheiten, die herausfordernd, aber nicht überfordernd sind, fördert das Engagement der Sportler*innen und führt zu besseren Ergebnissen.
Relationships
Tragfähige Beziehungen sind für die soziale Unterstützung und das psychische Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung. In der sportlichen Praxis können Teambuilding-Events und Mentoring-Programme die Beziehungen zwischen den Teammitgliedern stärken. Solche Aktivitäten fördern das Gemeinschaftsgefühl und die Teamkohäsion, was wiederum die Leistung verbessert (Carron & Brawley, 2000). Positive Beziehungen innerhalb des Teams sind ein Schlüsselfaktor für langfristigen Erfolg und Zufriedenheit.
Meaning (Sinn)
Der Sinn in der Tätigkeit ist ein stark motivierender Faktor. Sportler*innen, die den Sinn und Zweck ihres Trainings und Wettkampfs verstehen, sind oft motivierter und resilienter. Werte-Workshops und die Teilnahme an gemeinnützigen Projekten können dabei helfen, diesen Sinn zu vermitteln. Diese Maßnahmen unterstützen Athlet*innen dabei, ihre persönlichen Werte mit den Zielen des Teams in Einklang zu bringen, was ihr Engagement und ihre Zufriedenheit erhöht.
Accomplishment (Erreichung)
Das Erleben von Erfolgen ist für die Selbstwirksamkeit und das Selbstwertgefühl wichtig. Erfolgstagebücher und Meilenstein-Feiern sind praktische Übungen, um die Erfolge der Sportler*innen zu würdigen und zu feiern. Diese Anerkennung motiviert und zeigt den Athlet*innen, dass ihre Anstrengungen geschätzt werden. Die Betonung von Erfolgen stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und fördert die kontinuierliche Verbesserung.
Lead
Die Führungsrolle im PERMA-Lead Modell betont die Bedeutung einer stärkenorientierten Führung. Führungskräfte im Sport sollten darauf abzielen, die individuellen Stärken ihrer Athlet*innen zu erkennen und zu fördern. Emotional intelligente und empathische Führungskräfte, wie von Harms et al. (2022) beschrieben, erzielen bessere Ergebnisse in Bezug auf Teamdynamik und individuelle Leistung. Eine solche Führung schafft ein unterstützendes Umfeld, in dem Sportler*innen ihr volles Potenzial entfalten können.
Insgesamt bietet das PERMA-Lead Modell einen umfassenden Rahmen, der sowohl das individuelle Wohlbefinden als auch die Leistungsfähigkeit von Sportler*innen steigert. Durch die gezielte Anwendung der beschriebenen Praktiken können Trainer*innen und Führungskräfte im Sportbereich signifikante Verbesserungen erzielen, die sowohl das persönliche Wachstum als auch den Teamerfolg fördern.
Um die Theorie in die Praxis umzusetzen, hier jeweils zwei praktische Übungen für jedes Element des PERMA-Lead Modells, die Führungskräfte oder Trainer*innen im Sportbereich nutzen können:
1. Positive Emotionen (Positive Emotions)
Übung 1: Dankbarkeitstagebuch
Lassen Sie jede*n Sportler*in ein Dankbarkeitstagebuch führen, in dem sie täglich drei Dinge notieren, für die sie dankbar sind. Dies fördert eine positive Grundstimmung und erhöht das allgemeine Wohlbefinden.
Übung 2: Positive Feedback-Runden
Organisieren Sie regelmäßig Feedback-Runden, bei denen Teammitglieder sich gegenseitig positives Feedback geben. Dies stärkt das Selbstwertgefühl und die Beziehungen im Team.
Zusatzübung: Erfolgserlebnisse thematisieren
Thematisieren Sie Erfolgserlebnisse mit den Sportler*innen und richten Sie in schwierigen Situationen den Fokus auf das, was funktioniert.
2. Engagement
Übung 1: Flow-Aktivitäten
Gestalten Sie Trainingseinheiten so, dass sie die Athlet*innen herausfordern, aber nicht überfordern. Diese Aktivitäten sollten darauf abzielen, den Flow-Zustand zu fördern, in dem sie vollkommen in ihre Tätigkeit vertieft sind.
Übung 2: Individuelle Zielsetzung
Setzen Sie gemeinsam mit jeder*m Sportler*in individuelle, spezifische und erreichbare Ziele. Besprechen Sie regelmäßig den Fortschritt und passen Sie die Ziele bei Bedarf an.
Zusatzübung: Verantwortung übergeben
Übergeben Sie Verantwortung – auch außerhalb der Sportart – und ermutigen Sie die Sportler*innen, Neues auszuprobieren und aus Fehlern zu lernen.
3. Tragfähige Beziehungen (Relationships)
Übung 1: Teambuilding-Events
Planen Sie regelmäßige Teambuilding-Events außerhalb des normalen Trainings, wie gemeinsame Essen, Ausflüge oder Teamspiele, um die Bindungen zwischen den Teammitgliedern zu stärken.
Übung 2: Mentoring-Programme
Etablieren Sie Mentoring-Programme innerhalb des Teams, bei denen erfahrenere Athlet*innen jüngere oder weniger erfahrene Teammitglieder unterstützen und beraten.
Zusatzübung: Unstrukturierte Plaudereien
Schaffen Sie Zeiten und Orte, in denen unstrukturiert geplaudert werden kann, und feiern Sie kleine Anlässe wie Geburtstage im Team.
4. Sinn (Meaning)
Übung 1: Werte-Workshops
Organisieren Sie Workshops, in denen die Sportler*innen ihre persönlichen Werte und Ziele reflektieren und mit den Zielen des Teams und des Vereins in Einklang bringen. Dies hilft ihnen, einen tieferen Sinn in ihrer täglichen Arbeit zu finden.
Übung 2: Gemeinnützige Projekte
Beteiligen Sie das Team an gemeinnützigen Projekten oder Veranstaltungen, die einen positiven Einfluss auf die Gemeinschaft haben. Dies fördert das Gefühl von Sinnhaftigkeit und sozialer Verantwortung.
Zusatzübung: Gemeinsame Ziele erarbeiten
Arbeiten Sie gemeinsam Ziele aus, die für die Sportler*innen Sinn ergeben und sichtbar kleine Fortschritte erzielen.
5. Erreichung (Accomplishment)
Übung 1: Erfolgstagebuch
Führen Sie ein Erfolgstagebuch im Team ein, in dem regelmäßig individuelle und gemeinsame Erfolge festgehalten und gefeiert werden. Dies kann in Form von Trophäen, Medaillen oder einer einfachen Anerkennung im Teammeeting geschehen.
Übung 2: Meilenstein-Feiern
Feiern Sie wichtige Meilensteine und Erfolge mit speziellen Events oder kleinen Belohnungen. Dies fördert die Motivation und zeigt den Sportler*innen, dass ihre harte Arbeit anerkannt und geschätzt wird.
Zusatzübung: Persönliche Wachstumsziele definieren
Definieren Sie persönliche Wachstumsziele für die Sportler*innen und unterstützen Sie sie bei deren Erreichung. Durch die Integration dieser praktischen Übungen in den sportlichen Alltag können Führungskräfte und Trainer*innen im Sportbereich die Prinzipien des PERMA-Lead Modells wirksam umsetzen und somit das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit ihrer Athlet*innen signifikant verbessern
Take Home Message
Das PERMA-Lead Modell bietet eine ganzheitliche Herangehensweise zur Förderung von Wohlbefinden und Leistung im Sport. Durch die Integration von positiven Emotionen, tiefem Einsatz, tragfähigen Beziehungen, sinnstiftenden Tätigkeiten und der Anerkennung von Erfolgen schaffen Trainer*innen und Führungskräfte ein Umfeld, in dem Athlet*innen ihr volles Potenzial entfalten können. Stärkenorientierte Führung unterstützt nicht nur die individuelle Entwicklung, sondern stärkt auch den Teamzusammenhalt und die Leistungsfähigkeit. Nutzen Sie die Prinzipien des PERMA-Lead Modells, um sowohl das persönliche Wachstum als auch den Teamerfolg nachhaltig zu fördern – denn ein glückliches Team ist ein erfolgreiches Team.
Literatur
1. Fredrickson, B. L. (2001). The role of positive emotions in positive psychology: The broaden-and-build theory of positive emotions. American Psychologist, 56(3), 218-226.
2. Csikszentmihalyi, M. (1990). Flow: The psychology of optimal experience. Harper & Row.
3. Goleman, D. (2006). Social Intelligence: The New Science of Human Relationships. Bantam Books.
4. Steger, M. F. (2009). Meaning in life. In S. J. Lopez & C. R. Snyder (Eds.), Oxford Handbook of Positive Psychology (pp. 679-687). Oxford University Press.
5. Locke, E. A., & Latham, G. P. (2002). Building a practically useful theory of goal setting and task motivation. American Psychologist, 57(9), 705-717.
6. Luthans, F., Youssef, C. M., & Avolio, B. J. (2007). Psychological Capital: Developing the Human Competitive Edge. Oxford University Press.
7. Cameron, K. S. (2008). Positive Leadership: Strategies for Extraordinary Performance. Berrett-Koehler Publishers.
8. Donaldson, S. I., Lee, J. Y., & Donaldson, S. I. (2021). Evaluating the Impact of Positive Psychology Interventions in the Workplace. Journal of Positive Psychology, 16(5), 591-607.
9. Harms, P. D., Credé, M., Tynan, M., Leon, M., & Jeung, W. (2022). Leadership and Stress: A Meta-Analytic Review. Journal of Leadership & Organizational Studies, 29(2), 157-178.
10. Ebner, M. (Jahr). Titel der spezifischen Veröffentlichung zu PERMA-Lead.
11. Ebner, M. (2018). Positive Leadership: Die PERMA-Lead-Strategie für mehr Erfolg und Wohlbefinden in Organisationen. Springer.
12. Ebner, M. (2018). PERMA-Lead: Die wissenschaftlichen Grundlagen positiven Führens. Springer.