Vielleicht kennst du diesen Moment: Du denkst an jemanden – und genau dann ruft er an. Oder du stößt zufällig auf einen alten Artikel, der genau das Thema aufgreift, mit dem du gerade innerlich ringst. Für viele ist das „nur Zufall“. Für den Tiefenpsychologen Carl Gustav Jung war es mehr: Er nannte es Synchronizität – bedeutungsvolle Koinzidenzen, die sich nicht durch Ursache und Wirkung erklären lassen, aber uns berühren, weil sie innerlich stimmig wirken. In der Welt des Sports erleben wir solche Momente häufiger, als wir vielleicht glauben. Und sie erinnern uns daran, dass Erfolg nicht nur von Technik, Trainingsplänen und Zahlen abhängt – sondern manchmal auch von etwas, das sich kaum greifen lässt, aber viel in Bewegung setzen kann.
Zum Thema: Was ist Synchronizität? Und was hat sie mit Sport zu tun?
Carl Gustav Jung beschrieb Synchronizität als das Auftreten zweier Ereignisse, die zwar nicht kausal miteinander verbunden sind, aber dennoch eine subjektive Bedeutung für die betroffene Person haben. Es ist, als würde das Leben „mit einem sprechen“. Im Sport äußert sich das manchmal auf faszinierende Weise:
- Ein Spieler überlegt, seine Karriere zu beenden – und genau dann trifft er zufällig einen ehemaligen Mitspieler, der ihm von seiner Rückkehr auf den Platz erzählt.
Ein Trainer zweifelt an einer Entscheidung – und kurz darauf liest er ein Zitat, das ihn bestätigt. - Eine Sportlerin hadert mit ihrem Selbstwert – und hört beim zufälligen Durchzappen ein Interview mit ihrer früheren Ikone, in dem es genau um dieses Thema geht.
- Ein verletzter Athlet sieht in der Reha eine fremde Person mit dem gleichen Verband – die sich im Gespräch als jemand herausstellt, der genau denselben Weg gegangen ist und heute stärker denn je zurück ist.
- Ein junger Nachwuchsspieler träumt in einer schlaflosen Nacht vom Nationaltrikot – und bekommt am nächsten Morgen überraschend eine Einladung zu einem Sichtungscamp. Ist das Magie? Nein. Aber vielleicht ist es ein Moment, in dem das Unbewusste mit dem Außen in Resonanz tritt. Ein Impuls, der etwas anstößt, das innerlich längst vorbereitet war. Solche Erlebnisse lassen sich nicht messen – aber sie lassen sich spüren. Und genau darin liegt ihre Kraft: Sie verleihen inneren Prozessen eine symbolische Form im Außen. Nicht als Beweis für eine höhere Macht, sondern als Einladung zum Innehalten, Nachspüren und vielleicht auch: zum Vertrauen.
Warum Kausalität nicht alles erklärt
In der Trainingswissenschaft ist das Prinzip der Kausalität zentral: Reize → Anpassung. Input → Output. Periodisierung, Superkompensation, Regenerationszeit – all das basiert auf nachvollziehbaren Ursache-Wirkungsketten. Doch jeder, der im Coaching, Leistungssport oder in der mentalen Begleitung von Athlet:innen arbeitet, weiß: Der Mensch ist kein Uhrwerk. Ein Spieler kann physisch top vorbereitet sein – und trotzdem scheitern. Oder plötzlich aufblühen, obwohl der Trainingsstand noch Luft nach oben lässt. Eine ganze Mannschaft kann über Wochen an Taktik und Technik feilen – und trotzdem erst in einem einzigen Spiel „den Knoten platzen lassen“.
Warum?
Vielleicht, weil etwas innerlich „Klick“ gemacht hat – nicht aufgrund eines exakt geplanten Trainingsreizes, sondern durch ein unerwartetes Erlebnis, ein zufälliges Gespräch, eine emotionale Berührung oder eine symbolische Geste. Das ist keine Wissenschaft im klassischen Sinn. Aber es ist Leben, wie es sich oft anfühlt: komplex, überraschend – und manchmal auf fast mystische Weise sinnvoll. In diesen Momenten kann Synchronizität eine Rolle spielen. Dann, wenn äußere Ereignisse mit inneren Entwicklungsprozessen in Resonanz treten. Nicht planbar, nicht messbar – aber spürbar. Das bedeutet nicht, dass Training, Disziplin und Strategie keine Rolle spielen. Aber es zeigt: Höchstleistung ist nicht nur das Ergebnis von Zahlen und Daten – sie ist auch ein Ausdruck von innerem Erleben, Resonanz und Bedeutung.
Die emotionale Bedeutung von „Zufällen“ im Sport
Jung selbst beschrieb ein Beispiel, das fast filmreif ist: Während einer Therapiesitzung erzählte eine Patientin von einem Traum mit einem Skarabäus. Genau in dem Moment klopfte ein seltenes Insekt – ein Rosenkäfer – ans Fenster. Das Erlebnis löste einen Durchbruch bei ihr aus. Für Jung war das eine Synchronizität – das Innenleben der Frau fand eine Spiegelung im Außen. Im Sportcoaching sind solche Momente Gold wert. Wenn ein Athlet plötzlich sagt: „Das ergibt jetzt alles Sinn“, weil sich ein Erlebnis „fügt“, obwohl es objektiv betrachtet nichts verändert hat – dann beginnt oft eine tiefere Bewegung. Synchronizität ist dann wie ein Katalysator für innere Klarheit.
Wichtig ist: Synchronizität ersetzt nicht das rationale Denken. Jung warnte selbst davor, in jedem Ereignis eine „Botschaft“ zu sehen. Wenn ein Spieler glaubt, sein Match verloren zu haben, weil er den linken Schuh zuerst anzog, dann ist das Aberglaube – keine Synchronizität. Doch wer lernt, achtsam auf bedeutsame Zufälle zu achten, kann sie als Reflexionshilfe nutzen: „Warum ist mir das genau jetzt begegnet?“ Oft sind es Impulse, die unsere Aufmerksamkeit auf etwas richten, das ohnehin schon in uns reift.
Synchronizität als Trainingspartner der Intuition
Synchronizität wirkt, wie ein Schwesterkonzept zur Intuition: Während die Intuition uns leise lenkt, schenkt uns Synchronizität manchmal ein lautes Echo von außen. Im Coaching – ob im Sport oder Business – lohnt es sich, diesen Momenten Raum zu geben. Vielleicht sind sie kein Beweis für eine höhere Macht. Aber sie sind Einladung genug, innezuhalten, hinzuhören und die eigenen Gedanken neu zu ordnen. Manchmal ist es genau dieser Moment, der einen neuen Weg öffnet – sei es im Karriereverlauf eines Spielers, in der Entwicklung eines Teams oder im Umgang mit einer persönlichen Krise. In der Begleitung von Menschen – gerade im leistungsorientierten Umfeld – zeigt sich immer wieder: Wer sich traut, diesen leisen Signalen zu folgen, entdeckt oft neue Ressourcen, neue Wege oder auch eine tieferliegende Wahrheit, die durch Worte allein nicht erreichbar gewesen wäre. Synchronizität ist kein Trainingsplan – aber manchmal ist sie der Anstoß, der Training erst sinnvoll macht.
Fazit
Synchronizität erinnert uns daran, dass nicht alles planbar ist – und dass das auch gut so ist. Wer im Sport nur auf Daten und Kontrolle setzt, verliert leicht den Blick für das, was zwischen den Zeilen geschieht: die Dynamik des Zufalls, die Kraft des Unerwarteten, das stille Zusammenspiel von Innen- und Außenwelt. Vielleicht lohnt es sich, ab und zu weniger zu bewerten – und mehr zu beobachten. Denn manchmal ist es nicht der große Plan, der wirkt, sondern ein kleiner Zufall, der zur richtigen Zeit das Herz berührt.
Und du? Hast du in deinem sportlichen (oder privaten) Leben schon einmal eine solche Synchronizität erlebt? Schreib es mir gern – ich freue mich auf deine Geschichte.