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Führen wie ein Coach – Was Business vom Spitzensport lernen kann

von | 14.04.25 | Business & Leadership, Mentale Stärke & Resilienz, Positive Business, Positive Coaching, Positive Leadership, Sportpsychologie

Die Nachspielzeit läuft. Es steht 1:1. Ein Elfmeter entscheidet das Spiel. Der/die Spieler*in atmet tief durch – und trifft. Was im Stadion über Sieg oder Niederlage entscheidet, geschieht auch im Business – nur oft leiser. In Krisenmeetings, bei Personalentscheidungen, in Momenten der Unsicherheit. Situationen, in denen Druck aufkommt, Zeit knapp ist und Menschen Klarheit brauchen. Spitzenleistung – ob auf dem Platz oder im Büro – ist kein Zufall. Sie entsteht, wenn mentale Stärke, Vertrauen, Zielklarheit und systematische Regeneration zusammenkommen. Genau hier liefert die Sportpsychologie entscheidende Impulse: Sie zeigt, wie Führungskräfte, wie Trainer*innen denken, handeln – und Menschen stärken können.

In diesem Beitrag verbinden wir die Welt des Leistungssports mit der Realität im Unternehmen. Und wir zeigen, warum echte Führung nicht mit Anweisungen beginnt, sondern mit Haltung.

Zum Thema: Spitzenleistung braucht System

Spitzenleistung entsteht nicht im Ausnahmezustand – sondern in einem System, das auf Klarheit, Vertrauen und mentale Stärke setzt. Im Leistungssport weiß man: Erfolg ist das Resultat bewusst gestalteter Prozesse – nicht das Produkt von Zufall oder bloßer Motivation. Es geht um mehr als Training oder Taktik. Es geht um Haltung, um die Fähigkeit, Menschen zu entwickeln, Resilienz zu fördern und das Zusammenspiel im Team zu orchestrieren. Genau diese Prinzipien sind auch im Business übertragbar. Denn auch Organisationen bewegen sich heute in Hochleistungsumfeldern – geprägt von Unsicherheit, steigendem Druck und stetigem Wandel. Hier entscheidet sich, wer nicht nur reagiert, sondern erfolgreich führt: durch systemisches Denken, durch echte Verbindung – und durch die bewusste Förderung menschlicher Potenziale. Die Sportpsychologie bietet hierfür konkrete Ansätze. Sie liefert Erkenntnisse darüber, wie Leistung entsteht, was Menschen unter Druck handlungsfähig macht – und wie man aus einem Team mehr formt als die Summe seiner Einzelteile. Wie also gelingt es, Führung neu zu denken – jenseits von Kontrolle und Mikromanagement? Indem wir den Blick dorthin richten, wo Führung unter Druck seit Jahrzehnten zur Höchstform gebracht wird – auf das Spielfeld. Oder, genauer gesagt: in die Trainingshalle mentaler Stärke.

1. Trainer oder Führungskraft? Die Prinzipien sind dieselben.

Ein gute (r) Trainer*in  ist weit mehr als ein (e)Taktikexperte*in. Er gestaltet ein Umfeld, in dem Athleten*innen über sich hinauswachsen können – mit klaren Zielbildern, etablierten Routinen und mentaler Fokussierung. Ebenso wesentlich ist seine Fähigkeit, nicht nur Belastung zu steuern, sondern auch gezielte Regeneration zu ermöglichen. Denn Spitzenleistung entsteht nicht im Moment der Anstrengung – sondern in den Phasen der Erholung. Doch der vielleicht bedeutsamste Hebel liegt tiefer: die Stärkung der Selbstwirksamkeit. Sie meint das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, auch unter Druck handlungsfähig zu bleiben – und Herausforderungen aus eigener Kraft zu bewältigen.

„Mentale Stärke ist kein Zufall – sie ist trainierbar.“

René Paasch

Albert Bandura (1997) definierte Selbstwirksamkeit als eine zentrale Ressource für Motivation, Ausdauer und Zielbindung. Menschen, die an ihre Wirksamkeit glauben, zeigen mehr Initiative, bleiben resilienter und bringen ihre Potenziale nachhaltiger zur Entfaltung. Diese Erkenntnisse lassen sich unmittelbar auf die Führungswelt übertragen. Auch im Unternehmen braucht es nicht mehr Kontrolle – sondern klug gesetzte Rahmenbedingungen: psychologische Sicherheit, Klarheit in Ziel und Rolle, Vertrauen in die Menschen. Denn dort, wo Führung auf Selbstverantwortung und Wachstum setzt, entsteht mehr als Leistung – es entsteht Entwicklung. Führung beginnt dort, wo Menschen an sich glauben dürfen – und jemand ihnen den Raum dafür gibt.

2. Vertrauen – Der unsichtbare Muskel der Leistung

Dort, wo Vertrauen gelebt wird, entstehen Räume für mutige Entscheidungen, ehrliche Rückmeldungen und kreative Lösungen. Fehler werden nicht versteckt, sondern reflektiert. Verantwortung wird nicht delegiert, sondern geteilt. Und Teams zeigen genau das Verhalten, das in unsicheren Zeiten gebraucht wird: Stabilität, Reflexionsfähigkeit und kollektive Stärke.

„Vertrauen ist kein Soft Skill – es ist der wichtigste Leistungsträger im Verborgenen.“

René Paasch

Die Harvard-Professorin Amy Edmondson prägte dafür den Begriff der psychologischen Sicherheit – also die Überzeugung, dass man im Team offen sprechen, Fragen stellen und auch Fehler eingestehen kann, ohne Angst vor Gesichtsverlust. In der viel beachteten Google-Studie „Project Aristotle“ wurde genau dieser Faktor als entscheidend für außergewöhnliche Teamperformance identifiziert. Für Führungskräfte heißt das: Wer wie ein Trainer*in denkt, kontrolliert nicht – er ermöglicht. Er sieht nicht zuerst das Defizit, sondern das Potenzial. Und statt Mikromanagement setzt er auf Selbstverantwortung und Zutrauen in die Fähigkeiten seiner Mitarbeitenden. Vertrauen beginnt nicht mit großen Worten – sondern mit kleinen, konsequenten Taten. Es entsteht, wenn Menschen spüren: Ich werde gesehen. Ich werde gehört. Und man traut mir etwas zu.

3. Von Talenten zu Leistungsträgern – Stärken statt Schwächen

Während in vielen Organisationen nach wie vor Defizite analysiert, dokumentiert und durch Maßnahmen „kompensiert“ werden, verfolgt der Leistungssport seit Jahren einen anderen Ansatz: Stärkenorientierung statt Mangelverwaltung. Denn wer Menschen dauerhaft zur Höchstleistung befähigen will, muss wissen, was sie wirklich können – und nicht nur, woran sie noch arbeiten sollten.

„Stärke entsteht dort, wo Menschen ihr Potenzial kennen und leben dürfen – nicht dort, wo sie ständig kompensieren müssen.“

René Paasch

Forschung aus der positiven Psychologie – etwa von Clifton, Rath und Buckingham – belegt, dass Mitarbeitende, die ihre Stärken regelmäßig einsetzen dürfen, nicht nur engagierter, sondern auch resilienter, loyaler und kreativer sind. Stärkenaktivierung steigert die Selbstwirksamkeit, fördert intrinsische Motivation – und lässt Menschen sich mit ihrer Aufgabe identifizieren. Trotzdem ist der Blick auf das, was „nicht funktioniert“, in vielen Unternehmen noch tief verankert. Jahresgespräche kreisen um Entwicklungspotenziale, die in Wahrheit oft Schwächen meinen. Seminare werden belegt, um Defizite auszugleichen – statt vorhandene Talente gezielt auszubauen. Dass es auch anders geht, zeigt ein Beispiel aus der Praxis:

Ein internationales IT-Unternehmen implementierte ein Leadership-Programm, das konsequent auf das Prinzip „Stärken stärken“ setzte. Führungskräfte wurden darin geschult, die individuellen Ressourcen ihrer Teammitglieder sichtbar zu machen und bewusst im Alltag zu fördern. Bereits nach einem Jahr zeigte sich der Effekt: Die Mitarbeiterbindung stieg um 22 %, während die Fehlzeiten signifikant sanken.

Leistung entsteht nicht durch Druck, sondern durch Passung. Wenn Menschen in Rollen arbeiten, die ihren Talenten entsprechen, entfalten sie Energie, Kreativität und Verantwortungsbewusstsein – ganz ohne extrinsische Anreize. Echte Führung erkennt Potenziale – bevor andere es tun. Und sie schafft Räume, in denen genau diese Potenziale zum Tragen kommen dürfen.

4. Regeneration – Der unterschätzte Erfolgsfaktor

Wer wachsen will, muss ruhen können. Im Spitzensport ist Regeneration längst als strategisches Element etabliert – nicht als Pause im klassischen Sinne, sondern als aktiver Teil des Leistungsprozesses. Ohne gezielte Erholung verpufft jede Trainingsbelastung. Nur wer dem Körper – und dem Geist – Zeit zur Anpassung gibt, kann auf einem höheren Niveau zurückkehren. Das dahinterliegende Prinzip der Superkompensation beschreibt diesen biologischen Mechanismus genau: Nach einer intensiven Belastung sinkt die Leistungsfähigkeit kurzfristig ab. In der Regenerationsphase baut der Organismus jedoch nicht nur wieder auf – er wächst über das ursprüngliche Ausgangsniveau hinaus.

„Wer keine Pausen macht, performt nicht nachhaltig – weder im Training noch im Business.“
René Paasch

Der Sportpsychologe Michael Kellmann (2010) bringt es auf den Punkt: „Regeneration ist die Voraussetzung für nachhaltige Leistungsfähigkeit – körperlich, emotional und kognitiv.“ Doch während im Leistungssport kein (e) Trainer*in auf die Idee käme, Erholung zu streichen, sieht der Unternehmensalltag häufig anders aus: Meetings ohne Ende, E-Mails spät in der Nacht, mentale Daueranspannung – und das oft über Monate hinweg. Die Folgen zeigen sich nicht nur im individuellen Befinden, sondern auch in harten Zahlen:

Laut einer aktuellen McKinsey-Studie berichten über 40 % der Top-Führungskräfte von Burnout-Symptomen. Und laut Gallup fühlt sich mehr als ein Drittel der Mitarbeitenden emotional erschöpft und innerlich gekündigt. Das ist kein individuelles Versagen – sondern ein strukturelles Warnsignal. Führung, die keine Räume für Regeneration schafft, überlastet nicht nur Menschen – sie gefährdet langfristig auch Kreativität, Entscheidungsfähigkeit und Unternehmenserfolg.

Wer Hochleistung fordert, muss Erholung ermöglichen – nicht nur im Urlaub, sondern im Alltag.

René Paasch

Infobox: Was ist Superkompensation?

Superkompensation beschreibt die natürliche Anpassung des Körpers (oder Geistes) nach einer Belastung.

  • Phase 1: Training / Belastung → Leistung sinkt
  • Phase 2: Regeneration → Körper baut auf
  • Phase 3: Leistungsfähigkeit steigt über das Ausgangsniveau hinaus

▶ Übertragbar auf:
• Projektphasen
• Change-Prozesse
• Kreative Arbeit
• Mitarbeiterführung

Wer diesen Zyklus bewusst steuert – statt ihn zu unterbrechen – schafft die Grundlage für nachhaltige Leistungsfähigkeit in jedem Kontext.

5. Leadership in Krisenzeiten – Stabilität statt Panik

In ruhigen Zeiten lässt sich verwalten – in Krisenzeiten zeigt sich Führung.
Wenn Gewissheiten wegbrechen, Pläne ins Wanken geraten und Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen werden müssen, trennt sich die Routine vom Können. In solchen Momenten braucht es keine Kontrolle – sondern Orientierung. Keine Perfektion – sondern emotionale Stabilität.

„Mentale Flexibilität, Resilienz und Selbstregulation sind in solchen Momenten entscheidend – ob im WM-Finale oder in einem Strategie-Meeting.“

René Paasch

Was im Sport längst selbstverständlich ist – nämlich, dass Druck nicht verhindert, sondern vorbereitet werden muss – gilt auch für Unternehmen. Führung in Krisen bedeutet, einen inneren Kompass zu behalten, selbst unter Unsicherheit Halt zu geben und dabei menschlich zu bleiben. Wer als Führungskraft psychologische Sicherheit schafft, wird zur stabilen Bezugsperson. Nicht, weil er oder sie alle Antworten kennt – sondern weil er oder sie in der Lage ist, das Team durch stürmische Phasen zu navigieren, ohne das Vertrauen zu verlieren.

Schlüsselkompetenzen in solchen Phasen sind:
• Zielorientierung – trotz Unsicherheit den Blick auf das Wesentliche richten
• Resilienz – Rückschläge verkraften und neue Wege suchen
• Anpassungsfähigkeit – Strategien verändern, ohne den Kern zu verlieren
• Kommunikation unter Druck – klar, ehrlich und verbindend

Krisen verlangen nicht nur Handlungsfähigkeit – sondern Haltung.

René Paasch

Take-Home-Message:

Leadership ist keine Frage der Hierarchie, sondern der Haltung. Die Prinzipien des Leistungssports zeigen: Spitzenleistung entsteht dort, wo Klarheit, Vertrauen, Regeneration und Stärkenorientierung nicht nur gedacht, sondern gelebt werden. Wer führt wie ein (e) Trainer*in, schafft Räume, in denen Menschen wachsen dürfen – selbst unter Druck. Nicht weil alles perfekt ist, sondern weil das Fundament stimmt. Du willst nicht nur managen, sondern wirksam führen? Dann beginn dort, wo Exzellenz ihren Ursprung hat: im Denken, im Vertrauen und im Mut zur Entwicklung. Denn das Beste in anderen zu sehen – und es zu ermöglichen – ist vielleicht die menschlichste Form von Führung.

Prof. Dr. René Paasch

Prof. Dr. René Paasch

Professor für Sportpsychologie und Life Coaching

Ich bin verheiratet, habe 7 Kinder und lebe inzwischen in Bayern. Als Familienmensch haben Werte wie Vertrauen, Offenheit und Verantwortung einen hohen Stellenwert für mich.
In meiner Arbeit als Sportpsychologe und Life Coach vertrete ich eine ganzheitliche Sicht. Egal ob Spitzen- oder Breitensport, Beruf oder Privat – jede Situation hat bringt eigene Herausforderung mit, weshalb mich immer das Gesamtpaket interessiert und begeistert.
Weil keine Begleitung und Betreuung der vorherigen gleicht, liebe ich meine Arbeit. Ich verstehe mich dabei als Coach und Mentor und bringe mein gesamtes Wissen und mein Netzwerk in eine Zusammenarbeit mit ein.